Spitzensport in der Sackgasse – fragwürdige Prioritäten der AG Sport

Die ersten Ausführungen der AG Sport zu den Koalitionsverhandlungen von CDU und SPD zum Spitzensport müssen im Bereich der Spitzensportförderung als unzureichend und enttäuschend bezeichnet werden. Problematisch erscheint die starke Fokussierung auf die Sportfördergruppen von Bundeswehr, Polizei und Zoll. Zwar ist die Relevanz dieser Institutionen für die Karrieren einzelner Athletinnen und Athleten unbestritten und muss erhalten bleiben, die Priorisierung und der angekündigte Ausbau dieser Strukturen führt jedoch zu einer einseitigen Ressourcenverteilung, die alternative Förderansätze benachteiligt. Alle dualen Karrieren, welcher Art auch immer, sollten die gleiche Priorität genießen. 

Die Analyse der letzten Jahrzehnte hat gezeigt, dass nur ein Teil der Spitzensportlerinnen und Spitzensportler an einer Förderung bei Bundeswehr/Polizei/Zoll interessiert ist. Ein Ausbau würde die strukturellen Ungleichheiten innerhalb des deutschen Spitzensports verstärken, zudem besteht die Gefahr der beruflichen (Laufbahn-)Abhängigkeit: Athletinnen und Athleten sehen sich mit der Notwendigkeit konfrontiert, sich frühzeitig an staatliche Laufbahnen zu binden, auch wenn diese nicht ihren individuellen Karriereplänen und Interessen entsprechen. Dies kann nicht Ziel eines modernen Förderkonzeptes sein. 

Ein weiteres Defizit innerhalb der bestehenden Förderstrukturen ist die unzureichende Berücksichtigung bildungsbezogener Aspekte wie der dualen Karriere (Ausbildung und Studium). Während die Sportfördergruppen finanzielle Stabilität bieten, fehlt es häufig an einer gleichwertigen Unterstützung akademischer Laufbahnen. Eine umfassende Spitzensportförderung muss über kurzfristige Erfolge hinausgehen und langfristige Perspektiven für die Athletinnen und Athleten schaffen (insbesondere im Bereich Bildung und Ausbildung). 

Warum studentischer Spitzensport? 

Studierende sind die erfolgreichste Gruppe im deutschen Spitzensport: Bei Olympischen Spielen stellen sie den größten Anteil an Medaillengewinnern, wobei die Erfolge seit Jahrzehnten kontinuierlich steigen. Sie gelten daher als besonders förderungswürdig. 

Durch die grundsätzliche Vereinbarkeit von Spitzensport und Studium können die Hochschulen flexible Strukturen bieten – wie Teilzeitstudiengänge, individuelle Prüfungsanpassungen und Hybridstudiengänge – optimale Grundvoraussetzungen, um sportliche und akademische Entwicklung zu verbinden. Dieses Potenzial bleibt in Deutschland jedoch weitgehend ungenutzt. Zudem fehlen staatliche Anreize, um strukturelle Veränderungen in diesem Bereich voranzutreiben. Für Sportlerinnen seit Jahren eine herbe Enttäuschung. 

Eine verstärkte akademische Förderung eröffnet langfristige Karriereperspektiven über den Sport hinaus. Eine akademische Laufbahn reduziert die Abhängigkeit von staatlichen Sozial- und Unterstützungsleistungen nach der Sportkarriere. Länder wie die USA zeigen mit ihren College-Sportprogrammen, dass Spitzensportförderung und akademische Exzellenz keine Gegensätze sein müssen, sondern einander befruchten können, wenn die parallele akademische Ausbildung sinnvoll und seriös gestaltet wird. 

Was muss passieren? 

Vor diesem Hintergrund ist tatsächlich ein Paradigmenwechsel in der Spitzensportförderung notwendig. Statt verstärkt auf traditionelle staatliche Institutionen wie Bundeswehr, Polizei und Zoll zu setzen, sollte die Förderung intensiver auf die universitäre und zivilgesellschaftliche Ebene ausgeweitet werden. Innovative Ideen, so auch Insellösungen für Talente z.B. in Kleinstädten verdienen Probe.- und Evaluierungsphasen. Mutige, kreative Vorgehensweisen wie sie unter anderem auch Athleten Deutschland in den vergangenen Jahren mit vielen Ideen (auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basierend) geliefert hat, können eine Grundlage bilden. 

Konkret heißt dies für den deutschen Spitzensport: 

  1. eine wesentlich stärkere Beteiligung der Athlet*innen an Ausgestaltungen der Förderstrukturen, 
  1. ein „outside the box“- Denken auf neuem Niveau, 
  1. die Erprobung unterschiedlicher Fördermodelle und vor allem deren Evaluierung (das Defizit an belastbaren Daten zum deutschen Fördersystem ist gravierend),  
  1. die Etablierung einer leistungsfähigen universitären Sportförderung, die international konkurrenzfähige Bedingungen schafft, 
  1. die Entwicklung von sozialen Absicherungsmodellen für Athletinnen und Athleten außerhalb staatlicher Strukturen, um Chancengleichheit zu gewährleisten, 
  1. eine Analyse der Absicherungsstrukturen in europäischen Nachbarländern und Identifikation von Best-Practice-Modellen,  
  1. die Umsetzung alternativer Finanzierungsmodelle, z.B. durch zivilgesellschaftliche Stipendienprogramme und private Förderinitiativen, 
  1. WICHTIGER FOKUS: Nachhaltige Förderung statt kurzfristiger Erfolgsorientierung, um die langfristige Entwicklung der Athletinnen und Athleten in den Mittelpunkt zu stellen. 
  1. Und vieles mehr 

Die deutsche Spitzensportförderung muss sich von einem unflexiblen, institutionenorientierten Modell lösen und eine diversifizierte Struktur schaffen, die sowohl sportliche Höchstleistungen als auch individuelle Biographieperspektiven ermöglicht. Nur so ist Deutschland langfristig international konkurrenzfähig, ohne dabei die soziale und berufliche Zukunft der Athletinnen und Athleten zu gefährden. 

Der Abschnitt aus der AG Sport im Original:

Hoffnungslos verstrickt? Der Teufelskreis des deutschen Spitzensports

Der Teufelskreis des deutschen Spitzensports

Die gegenwärtige Lage des deutschen Spitzensports gibt Anlass zu einer erneuten Diskussion über die Formen der Spitzensportförderung. Das Abschneiden der deutschen Olympiamannschaft in Paris erfordert eine Analyse der unbefriedigenden Entwicklung, um etwaige Maßnahmen zur Verbesserung ableiten zu können. Dies kann nur über eine ehrliche Bestandsaufnahme geschehen, was für den deutschen Spitzensport eine Herausforderung darstellt.
Die Erfolgsquote der deutschen Olympiamannschaft ist in den vergangenen Jahrzehnten fortlaufend gesunken, wobei Deutschland diejenige westliche Industrienation ist, die in den vergangenen Jahrzehnten die geringste Anzahl an Medaillen bei Olympischen Spielen gewonnen hat. Obgleich die Anzahl der Wettbewerber*innen weltweit zugenommen hat, muss konstatiert werden, dass ein maßgeblicher Konkurrent hinsichtlich potenzieller Medaillen, Russland, aufgrund seines Angriffskriegs gegen die Ukraine nur mit einer geringen Anzahl an Athlet*innen in Paris vertreten war. Die Chancen auf Medaillenplätze waren so vor Paris gestiegen, das Abschneiden erbrachte das schlechteste Ergebnis seit Barcelona 1992, vorausgesetzt der einzige Parameter ist Medaillen. Doch ist der Medaillenspiegel als eine Art von Erfolgsanalyse geeignet? Ein Vergleich mit dem Ergebnis in Barcelona erscheint wenig zielführend, da ein Teil der guten Leistungen der Bundesrepublik noch auf das DDR-Staatsdoping zurückzuführen waren.

Jährlich werden beträchtliche Summen in den Spitzensport investiert. Neben den über 300 Millionen Euro Bundesmitteln fließen weitere Mittel der Bundeswehr, der Polizei und des Zolls sowie direkte Zahlungen der Länder in den deutschen Spitzensport, so dass von einer Unterfinanzierung des Leistungssports keine Rede sein kann. Allerdings besteht gesellschaftlich ein Konsens darüber, die finanzielle Wertschätzung der Athletinnen über Prämien für Medaillengewinnerinnen zu erhöhen und steuerliche Erleichterungen für Spitzensportlerinnen zu schaffen. Eine Ursache für die fehlende Erfolgsentwicklung sind Effizienz- und Bürokratieprobleme, offensichtlich typisch deutsche Phänomene. Ein System, das eine angemessene Förderung leisten und Missbrauch und Korruption verhindern will und soll, entwickelt sich zu einem Bürokratie- und Ineffizienzmonster. Zudem führen unnötige Scheindebatten zu möglichen Einstellungsproblemen der heutigen Athletinnengeneration nicht weiter. Es ist ein Trugschluss, auch vieler Expert*innen, dass Leistung auf Zwang oder Leid basieren muss. Vielmehr kann Leistung durch Spaß am Training und auf einer angemessenen und gesunden Leidensfähigkeit basieren. Aktuelle Erfolge deutscher Sportler*innen in verschiedenen Disziplinen verdeutlichen, wie überflüssig eine Debatte um die Einstellung von Nachwuchssportler*innen ist.

Des Weiteren ist zu konstatieren, dass ein signifikanter Anteil der Athlet*innen die duale Karriere, unabhängig von ihrer konkreten Ausgestaltung, als intellektuelle Bereicherung und nicht als Belastung empfindet. Die Frage, warum diese Form der Spitzensportkarriere (besonders Spitzensport und Studium) seitens des Staates nicht wie durch die Sporthilfe intensiver gefördert wird, bleibt seit Jahrzehnten unbeantwortet und erscheint schleierhaft. Universitäten könnten ausgeschriebene Fördermittel für Nachwuchsleistungssportler*innen unmittelbar beantragen und Stipendien an Leistungssportler*innen vergeben. Inzwischen ist es Hochschulen möglich, auf unterschiedliche Lebensmodelle ihrer Studierenden flexibel einzugehen. Diese Möglichkeit wird seitens der Entscheidungsträgerinnen jedoch unzureichend genutzt. Einen universell erfolgreichen Ansatz gibt es nicht, doch die quasi “Planwirtschaft” des deutschen Spitzensports behindert seit Jahrzehnten den eigenen Erfolg und ist mit ein Grund für die signifikante Ineffizienz. Bereits im Jugendalter werden die Nachwuchsathlet*innen in ein System gepresst, das eine vorgegebene Biografie fördert, anstatt Individualität zuzulassen, selbst dann, wenn die Athlet*innen nicht Teil des aktuellen Systems sein wollen. Die, die sich dem System anpassen. erhalten die beste finanzielle Förderung. Alle anderen müssen zurückstecken bzw. die Karriere in einem größeren Ausmaß selbst finanzieren. Folglich ist im Jugendalter der Besuch der Eliteschulen des Sports vorgesehen, anschließend der gewünschte Weg über die Bundeswehr, die Polizei und den Zoll. Diese Strukturen resultieren in einer signifikanten Anzahl von Drop-outs unter Nachwuchsathlet*innen beim Übergang von Schule zum Studium, was insbesondere bei Athlet*innen zu beobachten ist, die alternative Biografien präferieren (Auch der Breitensport verliert in diesem Alter eine erhebliche Anzahl an Mitgliedern). Genau für die Athlet*innen, die sich nicht ins System hineinzwängen lassen möchten, bedarf es neben einer generellen Zentralisierung Insellösungen, die individuelle duale Karrieren in einem gewünschten Umfeld von Trainer*innen, Betreuer*innen und Ausbildern/ Dozenten ermöglichen. In diesen Fällen erscheint eine direkte, servicegebundene Förderung sinnvoll.
Unterschiedliche Ansätze und Biografien sollten auch Sportler*innen mit divergenten Bedürfnissen ermöglichen, unterschiedliche Wege einzuschlagen, um letztendlich zu sportlichem Erfolg zu gelangen. Die Annahme, dass eine dezentrale Förderung keine positiven Effekte hervorbringt, ist ein Irrtum. Wichtig ist die Bereitstellung von Alternativen für die Sportler*innen. Dies impliziert, dass die betreffenden Athletinnen in ihrer vertrauten Umgebung weiter trainieren können und nicht dazu gezwungen werden, an das Leistungszentrum der Wahl des Verbandes überzuwechseln. Warum sollen bereits erfolgreiche Sportler*innen, die ein stimulierendes Umfeld gefunden haben, in dem sie sich wohlfühlen und in dem sie ihre Leistung steigern, aus diesem herausgezogen und an einen unbekannten Ort verfrachtet werden? Sicherlich sind auch Insellösungen wie die Zentralisierung kein Allheilmittel, aber sie sind Optionen.

Was für einen Leistungssport wollen wir als Gesellschaft?


Eine grundlegende Debatte zur Rolle des Breiten- und Spitzensports in der deutschen Gesellschaft ist auch für die Spitzensportreform erforderlich. Wofür soll der Sport stehen, welche Rolle soll er in der Gesellschaft einnehmen, welche Ziele soll er verfolgen und auf welche Weise sollen diese Ziele als Kollektiv erreicht werden? Und wie kann der Leistungssport sich in das auszudiskutierende Konstrukt integrieren?
Ohne eine Beantwortung dieser Fragen erscheinen erneute Reformdebatten zum deutschen Leistungssport im Rahmen einer Spitzensportreform 2.0 wenig zielführend.
Eine sinnvolle Verteilung von Fördermitteln wird nur dann möglich sein, wenn gesellschaftlich Einigkeit darüber besteht, wofür der Sport stehen soll. Diese Fragen sind nach wie vor unbeantwortet. Ein mit von Athleten Deutschland initiiertes Forschungsprojekt des BISP soll nun nach Jahren des Stillstands den gesellschaftlichen Nutzen des Spitzensports in Deutschland analysieren. Dazu wird im zweiten Teil, neben systematischen Übersichtsarbeiten (im ersten Teil), eine repräsentative Bevölkerungsbefragung durchgeführt, die die Wahrnehmung und Bedeutung des Spitzensports in der deutschen Gesellschaft bei Jugendlichen und Erwachsenen untersucht. So sollen fundierte wissenschaftliche Erkenntnisse für die öffentliche Debatte um die Spitzensportförderung bereitgestellt werden. Die Projektlaufzeit von 18 Monaten ist für eine Evaluation solcher Fragestellungen sehr ambitioniert und es besteht die Gefahr, dass die Ergebnisse nicht mehr in die aktuellen Diskussionen und Entscheidungen zum Spitzensport einfließen.
Ein weiteres Problem stellt die unzureichende Datengrundlage hinsichtlich der Spitzensportstrukturen dar. Es lässt sich konstatieren, dass sowohl Landesverbände, Verbände als auch der DOSB bisher kein wirkliches Interesse gezeigt haben, belastbare Daten zu erheben, welche Stützpunkte, Angebote und Serviceleistungen wie häufig und wo tatsächlich in Anspruch genommen werden. Dies ist ein schwerwiegender Fehler. Es wäre von großem Interesse, die Frequentierung der (Olympia-) Stützpunkte sowie die Inanspruchnahme der angebotenen Serviceleistungen zu ermitteln. Inwiefern werden die Angebote und Serviceleistungen von den Athlet*innen hinsichtlich ihrer Qualität bewertet? Welche Serviceleistungen sind erwünscht? Welche Strukturen werden präferiert? Diese Fragestellungen bleiben seit Jahrzehnten unbeantwortet.
Stattdessen äußern zahlreiche Akteure die Hoffnung das neue Sportfördergesetz könnte eine Lösung für die Probleme des deutschen Spitzensports sein. Obgleich der Wunsch nach einem Gesetz durchaus als sinnvoll und erfreulich zu werten und eine Verbesserung zu erhoffen ist, stehen die Vorzeichen für eine weitreichende Umsetzung der Inhalte des Gesetzes aufgrund der bisherigen Erfahrungen und fehlenden Datengrundlage eher schlecht. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die grundlegenden Debatten zum Thema Sport bislang nicht geführt wurden (s.o.) und der Gesetzesentwurf keine belastbaren Daten mit einbezieht. Zudem fehlt dem Gesetzesentwurf eine echte Definition des Spitzensportlers, wie in anderen europäischen Ländern durchaus üblich (siehe z.B. Kroatien). Einmal mehr wird das bestehende System von Funktionären und Verbänden verteidigt, wobei Aspekte wie die besonders wichtige Nachwuchsförderung in den Arbeitsgruppen der Spitzensportreform 2.0 unzureichend ausgearbeitet werden.

Der Medaillenspiegel – Europäische Sportnationen im Vergleich – Paris 2024

Gegenwärtig wird erneut die Frage erörtert, auf welche Weise eine Veränderung der Strukturen Deutschland näher an Vorbildnationen wie Großbritannien, Frankreich oder die Niederlande heranführen könnte. Bei einem Vergleich mit diesen Nationen und einer Analyse der Länder anhand ihrer Einwohnerzahl sowie ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (Bruttoinlandsprodukt) weist Deutschland eine negative Entwicklung auf. Sich von anderen Modellen inspirieren zu lassen ist nachvollziehbar, sollte in diesem Kontext die Frage berücksichtigen, welche Faktoren für den Erfolg dieser Länder maßgeblich sind.
Spitzensportliche Verhandlungen im Vereinigten Königreich sind durch eine besondere Härte gekennzeichnet. Dies trifft insbesondere auf Sportarten zu, die die in sie gesetzten Erwartungen hinsichtlich internationaler Erfolge bei Turnieren und den Olympischen Spielen nicht erfüllen. In diesen Fällen erfolgt eine Reduktion der Finanzierung auf ein Minimum, ein Prinzip der Aussortierung erfolgloser Sportarten als Relikt aus DDR-Zeiten. Sind die britischen Strukturen für den deutschen Spitzensport erstrebenswert? Eine Übertragung auf den deutschen Spitzensport erscheint wenig sinnvoll, zumal in Deutschland aufgrund des breitgefächerten Vereinssystems der Breitensport eine wichtige Rolle spielt, was die Förderung junger Talente einschließt. Eine vielseitige sportliche Ausbildung von Jugendlichen kann dazu beitragen, mehr Talente im gesamten Spitzensport zu integrieren. In Bezug auf das britische Spitzensportsystem ist zu beachten, dass der Verdacht groß ist, dass die Erfolge dieses Systems nicht ausschließlich auf legalen Mitteln basierten. Der französische Spitzensport hatte in den Monaten vor den Olympischen Spiele mit einem umfangreichen Missbrauchsskandal im eigenen System zu kämpfen. Die Aufarbeitung wurde durch ranghohe Politiker auf die Zeit nach den Spielen verschoben. Auch deshalb ist es schwierig, die Erfolge des französischen Teams korrekt einzuordnen.


Das niederländische Spitzensportsystem genießt international Vorbildcharakter, das Land gewinnt mit einer geringen Einwohnerzahl überproportional viele Gold- und Silbermedaillen und ist folglich besonders erfolgreich. Die effektive Nutzung der Potentiale der Athletinnen ist ein wesentlicher Faktor für diesen Erfolg. Die hohe Erfolgsquote mit einer effektiven Förderung wird mit auf ein produktives Leistungszentrum für den Leistungssport zurückgeführt, wobei die damit verbundene Zentralisierung als ein wichtiger Faktor betrachtet wird. Der Erfolg der niederländischen Sportlerinnen ist jedoch nicht nur auf die Zentralisierung zurückzuführen, sondern maßgeblich auch auf das Ermöglichen unterschiedlicher dualer Karrieren sowie dem Bereitstellen von angemessenen Fördersummen für Spitzensportlerinnen. Sie erhalten einen soliden Grundbetrag, der ihnen eine biografische Planungssicherheit verschafft.
Im Gegensatz zum deutschen Spitzensport, in dem eine soziale Absicherung in vielen Fällen nicht gewährleistet ist, erhalten die Sportlerinnen vor Ort deutlich höhere finanzielle Zuwendungen und auch die Möglichkeit, neben ihrer sportlichen Laufbahn ein Studium zu absolvieren. In Deutschland hingegen zeigt sich eine Inkompatibilität hinsichtlich dualer Karrieren, insbesondere durch die unzureichende finanzielle Unterstützung der dualen Karriere “Spitzensport und Studium”, die studentische Spitzensportlerinnen oft ausbremst. Die Annahme, dass Erfolge im Leistungssport ausschließlich durch eine Fokussierung auf den Sport selbst zu erreichen sind, ist im deutschen Spitzensportsystem nach wie vor weit verbreitet, wird aber auch seit Jahrzehnten kontrovers diskutiert, ohne dass bislang eine effektive Lösung gefunden worden wäre. Über eine stärkere Zentralisierung wird eine Effizienzsteigerung erhofft. Die internationalen Beispiele verdeutlichen, dass eine Zentralisierung in einigen Sportarten zwar einen positiven Effekt haben kann, jedoch ein entscheidende Faktor scheint eine direkte finanzielle Förderung („Spitzensportgeld“) von Spitzensportler*innen über einen längeren Zeitraum, der Planungssicherheit verspricht, zu sein. Die Beispiele Großbritanniens und der Niederlande demonstrieren, dass eine effektive und umfangreiche Förderung von Spitzensportler*innen nicht innerhalb einer Olympiade sondern über einen Zeitraum von mindestens zehn Jahren erforderlich ist, um nachhaltige Erfolge in der Weltspitze zu erzielen, denn nur eine Unterstützung über einen derart langen Zeitraum erzeugt eine signifikante Steigerung der Erfolgschancen für die jeweiligen Sportler*innen. Auch für den deutschen Spitzensport kann eine langfristige und umfangreiche Förderung, insbesondere die direkte Förderung über ein Spitzensportgeld (direkte Zahlung an die Sportler*innen, Geld, das sie zweckgebunden selbst investieren können), ein grundlegender Faktor für zukünftige Erfolge der deutschen Olympiamannschaft sein

Das deutsche System agiert seit Jahrzehnten träge, auch weil auf verschiedenen Ebenen finanzielle Mittel, die in den Spitzensport investiert werden, scheinbar verloren gehen. Die aktuelle Situation des deutschen Spitzensports ähnelt einem Teufelskreis. Die Prognose für die Zukunft ist wenig vielversprechend. Es ist bedauerlich, dass seit Jahrzehnten über die gleichen Punkte diskutiert wird, die Entlohnung der Trainer*innen (hochqualifizierte Trainer*innen werden oft schlecht bezahlt oder wandern ins Ausland ab), die finanzielle Unterstützung der Athlet*innen sowie die Effizienz des Fördersystems inklusive der Stützpunkte, ohne große Änderung an den Strukturen. In diesem Kontext erweist sich das föderalistische System als wenig vorteilhaft. Die einzelnen Bundesländer vertreten ihre eigenen Interessen, auch bezogen auf die Stützpunkte.
Der kränkelnde „Sportpatient“ wird so durch aktuell implementierte Reförmchen sowie die staatliche Förderung lediglich künstlich in seiner gegenwärtigen Form stabilisiert. Doch die einzelnen Maßnahmen führen keine signifikanten und systemischen Veränderungen herbei, die den bestehenden Reformstau nachhaltig abbauen. Verbände, Vereine sowie Funktionäre sind im deutschen Förderdschungel gefangen und kämpfen permanent um Fördermittel. Eine kritische Betrachtung der Förderstrukturen sowie eine Wahrnehmung externer Impulse als Chance für Veränderung findet selten statt. Das Problem ist nicht in einem Mangel an finanziellen Ressourcen oder Ideen für den Spitzensport zu verorten, sondern in einer ineffizienten Verwendung und fehlgesteuerten Verteilung dieser Mittel. In diesem Kontext ist hervorzuheben, dass ein Großteil der finanziellen Mittel in die Strukturen/Verbände investiert wird, während Trainer*innen und Athlet*innen in einem geringeren Maße von den Fördergeldern direkt profitieren. Eine Lösung für einen effizienteren Einsatz der finanziellen Ressourcen kann somit in zwei Hauptstränge unterteilt werden:

  1. Zum einen durch die direkte Auszahlung eines Spitzensportgeldes an die Athlet*innen (eine höhere Effektivität und Effizienz wird erreicht). Eine direkte Förderung der Athletinnen über ein Spitzensportgeld, Gutscheine und Stipendien an Universitäten kann eine sinnvolle Variante sein, damit die Athlet*innen über einen Teil der finanziellen Unterstützung selbst verfügen können.
  2. Zum anderen eine Budgetierung der Fördergelder in den Verbänden.

In der Konsequenz obliegt es dann den Athlet*innen und Verbänden, über die Verteilung der ihnen zugeteilten Gelder zu entscheiden. Dies umfasst z.B. für die Verbände die Verwendung der finanziellen Mittel für Trainingslager, Trainerpersonal sowie internationale Wettkämpfe. Eine Erhöhung der Investitionen in eine Top-Bundestrainer*in wäre eine mögliche Konsequenz, doch ist zu beachten, dass ein Verband sowohl in die Spitze als auch in die Breite fördert. Der Verband entscheidet über die Verteilung der ihm zugeteilten Gelder und er kann dann im Anschluss anhand seiner Entscheidungen gemessen werden.

Weitere Reformansätze zur Spitzensportreform 2.0 im Oktober 2024 auf http://www.derballluegtnicht.com

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