March Madness – Der Wahnsinn rund um die Spieler
Die NCAA-Championship mit dem March Madness geht weiter. Bereits in einer Woche folgt der nächste Teil. Bitte folgt “der ball lügt nicht” auf twitter , facebook und instagram und teilt den Artikel.
Die Folgen des Amateurstatus und die Zukunft der NCAA
Der Collegesport in den USA befindet sich aktuell, trotz einer wirtschaftlichen Erfolgsstory, in einer tiefen Sinnkrise. Auch deshalb ist der durch die NCAA rechtlich geschützte Begriff „March Madness“ sehr passend. Der Weg nach Minneapolis (Final Four) ist gepflastert mit möglichen neuen Enthüllungen rund um die Korruption und Manipulation von Trainern, Betreuern, Managern und Universitäten. Ein Bestechungsskandal folgt dem nächsten, bereits ein weiterer ist aktuell im Anrollen. Die Ermittlungen des FBI (seit einigen Monaten sehr aktiv) verdeutlichen das Ausmaß dieser Skandale; erste korrupte Involvierte konnten durch Abhörmaßnahmen des Inlandsgeheimdienstes überführt und verurteilt werden, aufgrund von Korruption und Manipulation überführte Trainer gehörten den Universitäten Louisville, Arizona, USC, Oklahoma State, Creighton, TCU, North Carolina State und Kansas an (vgl. Crepeau, 2019). Viele weitere werden in den nächsten Monaten folgen. Zudem gibt es bereits neue Anschuldigungen.
Erfolgreiche Cheftrainer wie Kentuckys Calipari hingegen werden als Helden von der Wildcats-Anhängerschaft verehrt und bei Vergehen wird schnell verziehen bzw. ein anderer lukrativer Job verschafft (z.B. TV-Kommentator). Es dauert sicherlich nicht lang, bis wir den im griechischen Exil lebenden Rick Pitino (aktuell Trainer beim griechischen Verein Panathinaikos B.C. Athen in der Euroleague) wieder an der Seitenlinie eines amerikanischen Powerhouses sehen. Wahnsinn!
High School Sportstars werden in den wirtschaftlich lukrativen Sportarten Basketball und Football („high profile sports“ „revenue generating sports“) mit finanziellen Zahlungen oder materiellen Geschenken bestochen, eine bestimmte Universität zu besuchen. Den Universitäten geht es darum, das sportliche Talent dieser Athleten zu sichern und bestmöglich zu vermarkten. Das Gemeinwohl und eine qualitativ hochwertige Ausbildung der Athleten ist zweitrangig.
Studentische Spitzensportler sind offiziell Amateure eingestuft, obwohl sie häufig täglich mehr als die von der NCAA vorgegebenen Stunden in ihren Sport investieren und als Leistungssportler angesehen werden können. Das Video von Emmanuel Acho, einem ehemaligen student-athlete der University of Texas und NFL, verdeutlicht die Realität eines studentischen Spitzensportlers.
Das Original – Die Utopie
Die Gegenleistung seitens der Universitäten ist ein Stipendium (Kosten + Logie), das diesen Spitzensportler jedoch häufig nichts nutzt,
da sie zu einem aufgrund der vielen Trainings- und Krafteinheiten nicht die Zeit haben, einem Studium ernsthaft nachzugehen und zum anderen, weil einige Athletic Departments die Sportler in Studiengängen „clustern“ („Academic Clustering“ = in einem Studiengang zusammenziehen, um sie teilweise illegal durch das Studium zu schleusen). Durch die aktuellen Skandale und die Verletzung des Superstars Zion Williamson vor einigen Wochen, gerät der Verband NCAA hinsichtlich des Amateurstatus der Athleten vermehrt unter Druck. Bis heute werden die Spieler weder an den Milliardengewinnen der NCAA beteiligt, noch dürfen sich die Spieler selbst vermarkten, nicht einmal ihre eigenen Schuhe oder Trikots dürfen sie verkaufen. Dies wäre ein Vergehen gegen den Amateurstatus. Für einen Zion Williamson bedeutet dies z.B., auf millionenschwere Sponsoringverträge zu verzichten und möglicherweise die gesamte Karriere, wenn es während des „März-Wahnsinns“ zu einer Verletzung kommen sollte, zu riskieren. Die Schrecksekunde im Spiel gegen University of North Carolina Tar Heels führte dazu, dass dieses Thema auch wieder in der breiten Öffentlichkeit diskutiert wird.
Die NCAA und die Athletic Departments versuchen ihren einmaligen Status als gemeinnütziger Verband mit allen Mitteln zu erhalten, und nehmen Benachteiligungen ihrer „Schutzbefohlenen“ skrupellos in Kauf. Ukeileys beschreibt die Situation vorzüglich:
„No Salary, No Union, No Collective Bargaining, Scholarship Athletes Are an Employers’s Dream Come True“ (Ukeiley, 1996, 167).
„Kein Gehalt, keine Gewerkschaft, kein Tarifvertrag, Stipendien sind des Arbeitgebers wahrgewordener Traum.“
Die Tatsache, dass die steuerbefreite und gemeinnützige NCAA mit ihren Athletic Departments Millionen an Dollar in rechtliche Auseinandersetzungen mit studentischen Spitzensportlern investiert, um den aktuellen Status der Gelddruckmaschine March Madness zu erhalten, zeigt, wie schmerzhaft gerichtliche Niederlagen für die Legitimation der NCAA in Zukunft sein könnten (vgl. Burns, 2011, 391-415; Johnson, 2010, 536). Johnson beschreibt die NCAA so:
„As this Trial has unfolded, the Plaintiff has been amazed by the Defendant NCAA’s behavior and conduct, whereby it seeks to place itself above the law, as if it were the fifty-first (51st) state in the Union that has its own “legislative” process” (Johnson, 2010, 622).
Die NCAA hat das Problem einer generellen Angreifbarkeit. Eine rechtliche Wende scheint durch versicherungstechnische Aspekte (1) zur Gesundheitsabsicherung und der finanziellen Kompensation der Athleten (z.B. Gerichtsverfahren: Ed O’Bannon vs. NCAA ( 2)) möglich (vgl. Gurdus, 2001, 907-930; Burns, 2011, 391-415).
Gerichtliche „Angriffe“ auf die NCAA oder Gesetzesveränderungen in den Bundestaaten (wird aktuell in North Carolina diskutiert, der Bundesstaat mit den beiden Powerhouses Duke und North Carolina) z.B. bei der bisher gültigen unentgeltlichen Nutzung von Namensrechten der Athleten über ihr Studium hinaus, lassen aktuell eine Entschädigung der studentischen Spitzensportler (vor allem in den kommerziellen Sportarten), realistisch erscheinen (vgl. Burns, 2011, 415). Da bisher durch den Amateurstatus für die studentischen Spitzensportler keine Versicherungspflicht durch die Universität besteht, können Veränderungen durch gerichtliche Entscheide zusätzlich einschneidende Folgen haben (vgl. Benford, 2007, 15).(3)
Durch aktuelle und zukünftige Untersuchungen des Kongresses und Klagen verschiedener Gerichte, Collegeligen bzw. Collegekonferenzen sowie einzelner Spieler (4) , wird eine Schwächung der NCAA wahrscheinlicher (vgl. Wolff, 2013; Staples 2013). Die gegenwärtige Situation wird zu weiteren rechtlichen Auseinandersetzungen zwischen den studentischen Spitzensportlern und den Universitäten, ihren Athletic Departments und der NCAA führen. Sack stellt bereits 1985 fest:
„When it comes to responsibilities, universities treat athletes like employees; when it comes to right, they treat them like amateurs. This practice is not only hypocritical, it is dangerous and exploitative” (Sack, 1985, 124).
Entscheidend für eine gesetzliche Veränderung wird die Frage der Nutzung der Persönlichkeitsrechte sein, die der Sportler basierend auf dem Amateurstatus zu Beginn seines Studiums an die NCAA abtreten muss, um am Collegesport teilnehmen zu dürfen. Diese Persönlichkeitsrechte werden z.B. zu Marketingzwecken seitens des Verbands genutzt. Jener Bereich ist eine Schwachstelle des Verbandes und könnte ihn künftig in erhebliche Schwierigkeiten bringen, was sogar Profiteure dieses System erkennen. John Calipari, der zwielichtige Basketballtrainer der Kentucky Wildcats und dreimalige Naismith College Coach of the Year (in 1996, 2008 and 2015), äußert sich 2012 zur Zukunft des Verbandes wie folgt:
“They’re not going to be around long. The NCAA will not. Before I retire from coaching, they will no longer oversee college athletics. They will, but it won’t be the four power conferences—they’ll be on their own. And the main thing is, do you really care about these kids? They’ll get mad that I say it. The NCAA Tournament, for example. It’s more about the selection committee getting on TV, everybody getting their tickets on the aisle, down low, all the parties they go to, the traveling. But we don’t take the parents of the participants. But they take their kids and their families” (Calipari zit. in DeCourcy, 2012).
Calipari, Profiteur des Systems, verdient innerhalb von 8 Jahren 36,5 Millionen Dollar und hat zusätzlich die Chance auf 6,8 Millionen Dollar an Bonuszahlungen durch Qualifizierungen und Titel seines Teams (vgl. Tipton, 2011). Calipari hat das „One and Done“- Phänomen (Spieler die lediglich ein Jahr am College verbringen und dann in die NBA wechseln) salonfähig gemacht und ist ein für die heutigen Entwicklungen mitverantwortlicher Trainer. Trotzdem äußert er sich kritisch.(5) Doch Calipari war es auch, dem zwei Final-Four- Teilnahmen an früheren Trainerstationen aufgrund von Unregelmäßigkeiten hinsichtlich der Rekrutierung von Spielern aberkannt wurden (UMass und Memphis; 1996 und 2008).
Die möglichen gerichtlichen Auseinandersetzungen werden in den nächsten Jahren mit über die Zukunft der NCAA entscheiden.(6)
Ob die Athletic Departments sich weiter in einem profitorientierten marktwirtschaftlichen System bewegen können, während die Athleten über die Amateurregel die „Arbeiter“ sind und keinerlei Entlohnung erhalten, ist fraglich (vgl. Meggyesy, 2000, 25). So ist die Forderung nach Abschaffung des Amateurstatus nachvollziehbar. Smith stellt fest:
„It is difficult if not impossible, to attempt to create athletic programs that are educationally sound and based on principles of amateurism when the historical model for well over a century is professional in most respects and generally financed commercially” (Smith, 2011, 7).
Die NCAA ist ein Beispiel für der „spitzensportlichen Inseln im rechtsfreien Raum“ bzw. Steueroasen (oder „off-shore islands of modern sports“), die sich als Verband zu den einflussreichen und fast unantastbaren Verbänden wie dem IOC und der FIFA gesellt (vgl. Bendrich, 2013, 2015).(7) Auch finanziell bewegen sich die Verbände trotz ihrer unterschiedlichen Ausrichtungen auf einem nahezu identischen Level.(8) Durch den scheinbar unermesslichen rechtlichen Spielraum und die finanziellen Mittel ist es bis heute möglich, Klagen immer wieder abzuwenden.(9)
Letztlich fungiert die NCAA als ein von den Athletic Departments kontrolliertes Kartell, welches sich durch die angeblichen gemeinnützigen Intentionen kontinuierlich nach außen legitimiert.(10)
Fußnoten:
(1) Aufgrund des Amateurstatus sind die Universitäten nicht verpflichtet die Sportler zu versichern. Dies kann gravierende Folgen für den Sportler haben (vgl. Gurdus, 2001, 908). Beispielfälle sind unter Haden zu finden (vgl. 2001, 674-677).
(2) Anmerkung des Autors: Dieses Gerichtsverfahren scheint besonders erfolgsversprechend zu sein und könnte den Collegesport bereits zeitnah grundlegend ändern.
(3) Einige Universitäten haben dieses Problem erkannt und versichern ihre Athleten freiwillig.
(4) Dabei könnte das Gerichtsverfahren (Ed O’Bannon vs. NCAA) des ehemaligen Basketballspieler Ed O’Bannon richtungsweisend für den gesamten Collegesport gewesen sein (vgl. Burns, 2011, 413-415).
(5) Er nutzt die Möglichkeiten des Systems vollständig aus, um den größtmöglichen persönlichen Nutzen daraus zu ziehen, bleibt jedoch bei seinen Aussagen in vielen Bereichen gegenüber seinen Spielern der Wahrheit treu und zeigt die Probleme des Systems auf (vgl. Zirin, 2012). Angemerkt werden muss jedoch, dass Calipari zwar den Toptalenten schnell zu Ruhm und Geld durch einen Wechsel in die NBA verhilft, jedoch ist dem System vorzuwerfen, dass die University of Kentucky für das Verlassen einer Großzahl von Spielern nach dem ersten Jahr keine Repressionen zu befürchten hat.
(6) Weiterführende Literatur zu der rechtlichen Frage sind z.B. Andrew Zimbalist (1999): Unpaid Professionals: Commercialism and Conflict in Big-Time College Sports; Sack (1985): The Amateur Myth: The Rights and Responsibilities of College Athletes.
(7) Der anerkannte New York Times Kolumnist Joe Nocera bemerkt: „I cannot believe an organization is allowed to do the things they do in modern America, (…) It’s as if the Constitution and rules of society don’t apply to them” (Wolverton, 2012).
(8) So generierte die NCAA allein für das Basketball-Tournament (Basketballmeisterschaft) in der Periode von vier Jahren 3,1 Milliarden Dollar (2009-2012). Die FIFA konnte innerhalb der letzten Periode 2,4 Milliarden Dollar (2007-2010) und das IOC 3,9 Milliarden Dollar an TV- Einnahmen verbuchen (vgl. Bendrich, 2013, 12).
(9) Der Autor glaubt, dass das Gerichtsverfahren Ed O’Bannon vs. NCAA die Wende bringen wird und die NCAA in eine entscheidende Identitätskrise werfen wird.
(10) Diese Art der Propaganda, von George Orwell bekannt, soll die Gemeinnützigkeit des Verbandes verdeutlichen und die Scheinheiligkeit des Verbandes überspielen. George Orwell beschreibt in seinem Roman „1984“ einen möglichen totalitären Überwachungs- und Präventionsstaat in der Zukunft. Die drei Slogans der Partei sind in diesem Zusammenhang: Krieg ist Frieden, Freiheit ist Sklaverei, Unwissenheit ist Stärke. Die NCAA hat ihre eigenen Slogans: Athleten sind Studenten, Collegesport ist Amateursport, der Hochschulabschluss ist das Ziel (vgl. Nocera, 2012a).
Teil 2: Die NCAA in der Identitätskrise – Zwischen Skandalen, Sklaverei und Kommerz