Die Spitzensportförderung der Bundeswehr hat ausgedient – Warum Max Hartungs Worte so wichtig sind – Frust über das System Sportdeutschland (Teil 9)

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Spitzensportförderung der Bundeswehr – Noch zeitgemäß oder ein Rohrkrepierer? (Foto: USArmy)

Die Förderung der Spitzensportler innerhalb der Bundeswehr besitzt innerhalb des DOSB bis heute Priorität und gilt im Dachverband als unangefochtene und effizienteste Form der Spitzensportförderung des Bundes. Zudem genießt diese Art der Förderung einen starken politischen und sportpolitischen Rückhalt. So sorgte das Interview des Athletensprechers Max Hartung in der vergangenen Woche für Aufruhr bei den Verbänden und Funktionären. Der neue Athletensprecher hatte die „Goldene Kuh“ des Dachverbandes diskreditiert und die seit Jahren bekannte Ineffizienz dieser Sportförderung öffentlich in einem Zeitungsinterview angesprochen.

Reaktion des Dachverbandes

Für die Funktionäre in Frankfurt war dies ein absolutes „No Go“. Beim Dachverband kam die Kritik des frisch gewählten Vorsitzenden der Athletenkommission nicht gut an, sodass sich der DOSB gezwungen sah, bereits wenig später eine Stellungnahme zu veröffentlichen und sich von den Aussagen Hartungs zu distanzieren. Der ehemalige Hochleistungssportler und Goldmedaillengewinner sowie heutiger Vizepräsident des DOSB Ole Bischof äußerte sich zu den Aussagen Hartungs, um die Wogen in der Öffentlichkeit zu glätten bzw. eine Diskussion im Keime zu ersticken. Die Stellungnahme im Wortlaut:

„Ole Bischof, DOSB-Vizepräsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), kommt beim Thema Bundeswehr zu einer völlig anderen Bewertung als der neue Vorsitzende der Athletenkommission, Max Hartung, dies in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung geäußert hat. „Für uns ist die Bundeswehr als institutioneller Partner unverzichtbar“, sagte Bischof, „Wir werden selbstverständlich ihre Angebote weiter wahrnehmen. Wir danken der Bundeswehr für ihr Leistungssport-Engagement an zahlreichen und zweifelsohne äußerst wichtigen Stellen auf dem Weg unserer Athletinnen und Athleten in die Weltspitze.“

Erst im Juli hat der DOSB gemeinsam mit der Deutschen Sporthilfe eine Kooperationsvereinbarung zur Stärkung der „Dualen Karriere“ von Bundeswehr-Athletinnen und -Athleten unterzeichnet. Damit wird die berufliche Beratung der Sportsoldatinnen und Sportsoldaten durch eine vertiefte Zusammenarbeit von Bundeswehr und DOSB verbessert. Eine wertvolle Ergänzung für die Bundeswehr-Athleten bildet darüber hinaus die Öffnung der Initiative „Sprungbrett Zukunft“ der Deutschen Sporthilfe, bei der sich mehr als 100 Wirtschaftsunternehmen für Maßnahmen der „Dualen Karriere“ engagieren. Diese vertiefte Kooperation von Bundeswehr, DOSB und Deutscher Sporthilfe eröffnet so den Spitzensportlerinnen und Spitzensportlern der Bundeswehr ein deutlich größeres Angebot an Ausbildungsmöglichkeiten und erhöht ihre Chancen auf einen verzugslosen Berufseinstieg“ (DOSB, 2017).

Die mit wenigen Argumenten gefüllte Stellungnahme des DOSB lässt den Leser wissen, dass der Dachverband auch weiterhin plant, diese Art der Förderung beizubehalten und der Verband die Meinung Hartungs nicht teilt. Vielmehr wird die Bundeswehr in der Stellungnahme als unverzichtbarer Partner des Dachverbandes bezeichnet.

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Innenminister De Maiziere im Interview (Foto: EU2016 NL)

Auch Bundesinnenminister de Maiziere lässt keinen Zweifel daran, dass an dieser Förderung festgehalten werden soll. Der Innenminister und ehemalige Verteidigungsminister glaubt, dass einige Sportler mit 18 Jahren noch nicht wüssten, welchen Beruf sie ausüben wollen und diesen sollte man es ermöglichen, sich erst nach ihrer spitzensportlichen Karriere mit 30 oder 35 Jahren für einen Beruf zu entscheiden. De Maiziere ist sich sicher, dass jene Athleten bei der Bundeswehr die nötige Sicherheit erhielten (siehe DLF, 2017). Die Bundeswehr ist seiner Meinung nach „ein gutes Sprungbrett für eine duale Karriere.“

Doch entsprechen diese Sichtweisen der Realität?

Ursachenforschung für uneingeschränkte Unterstützung der Bundeswehrförderung

Doch warum wird die Bundeswehr vom DOSB und Bundesministerium des Inneren als unverzichtbarer Partner angesehen? Will de Maiziere so wie im Interview mit dem DLF angesprochen, genauso wie der Dachverband, dass sich Spitzensportler vollständig auf ihre spitzensportliche Karriere konzentrieren, anstatt nebenbei auch noch eine Berufsausbildung voranzutreiben?

Ziel des Dachverbandes und der politischen Partner ist es, den Sport „professionell“ zu betreiben, auch dieses Ziel bestätigt de Maiziere mit seinen Aussagen im Deutschlandfunk. In diesem Zusammenhang kann in Westdeutschland schon seit Jahrzehnten eine Tendenz zum Staatssport erkannt werden (vgl. Krüger/ Emrich, 2010, 93). Die oft kritisch gesehenen „Staatsamateure“ des Ostens sind in der Bundeswehr deutlich zu erkennen, obwohl sie nicht in das demokratische System Deutschlands passen und damit Systemkonformität vermissen lassen. Selbst der Olympiastützpunktleiter Diederich stellt bereits 2009 in einem Interview fest:

„Staatsamateure?! Letztendlich ja. Vielleicht ist die Begrifflichkeit etwas unglücklich. Aus meiner Sicht zumindest. Aber letztendlich ist es aber so, dass man die Sportfördergruppen letztendlich auch deswegen unter anderem auch eingerichtet hat, um unseren Sportlern und Sportlerinnen die gleichen Rahmenbedingungen zu verschaffen, wie es insbesondere in den Ostblockländern seit ewigen Zeiten schon gang und gäbe ist“ (Bernd Diederich1 in Sport Inside, 2009).

Bundeswehrathleten können sich durch die finanzielle und moralische Unterstützung der Armee auf den Leistungssport konzentrieren und werden zu Vertragsamateuren. Im Hinblick auf die Förderstellen der Bundeswehr kommt es zudem zu einem „Selektionseffekt“. Emrich et al. stellen fest, dass besonders Absolventen von Eliteschulen des Sports die Karriere bei den Streitkräften verfolgen (vgl. Emrich et al., 2009, 159). Die ehemaligen Eliteschüler bzw. –sportler sind jene Nachwuchssportler, welche, gemessen am Förderumfang, bereits zu Schulzeiten die höchsten finanziellen Zuwendungen erhielten (vgl. Radtke/ Coalter, 2007, 121). Das hohe persönliche finanzielle Risiko Leistungssport erscheint für die Zeit der aktiven Karriere bei der Bundeswehr am geringsten. Motivation und Antrieb gehen aufgrund der singulären Fokussierung oft verloren. Die singuläre Verengung der eigenen Perspektive hat somit nicht nur biographisch gesehen Folgen, sondern auch spitzensportlich. Maennig kritisiert bereits 2012 und in einer Sportausschusssitzung des Bundestages die Förderstruktur der Bundeswehr. Maennig stellt fest, dass die Bundeswehrathleten in den Olympiamannschaften von London (2012) und Rio (2016) im Durchschnitt signifikant weniger Medaillen gewinnen als ihre Olympiamannschaftskollegen. Maennig errechnet, dass die Medaille eines Sportsoldaten mindestens das Siebenfache einer Medaille eines durch die Sporthilfe geförderten Spitzensportlers kostet (vgl. Maennig, 2012, 2). In Rio gewannen von den 821 (Nachtrag: 821 = Gesamtgruppe der durch die Bundeswehr geförderten Athleten, 127 waren Teil der Olympiamannschaft in Rio, 115 in London) angestellten Bundeswehr-Sportsoldaten lediglich 19 eine Medaille.

2012 gab es Kritik an der Zählweise der Medaillen Maennigs seitens der Bundeswehr, doch auch wenn man die Mannschaftswettbewerbe für alle beteiligten Institutionen mit jeweils einem Medaillengewinn zählt, wird deutlich, dass die Bundeswehr den geringsten sportlichen Erfolg bei Olympischen Sommerspielen verbuchen kann (siehe Bendrich, 2015). Die Statistiken bestätigen die folgende Aussage Hartungs:

„Bei der Bundeswehr sind gut 700 Sportlerinnen und Sportler beschäftigt, und nicht einmal nur die besten. Für den Rest der Athleten steht nicht einmal ein Viertel dieser Summe zur Verfügung. Wenn es nach mir ginge, würde ich vorschlagen, das Geld anders einzusetzen und es ohne den Umweg über die Bundeswehr direkt an die Sportler auszuschütten“ (FAZ, 2017). Alle anderen Fördermaßnahmen mit deutlich weniger Geld produzieren mehr Erfolge als die Fördermaßnahmen der Bundeswehr.

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Kann man die Probleme noch ausbügeln? (Foto: H.M.Karshis)

Die Finanzierung – Spitzensportförderung innerhalb der Bundeswehr (finanziellen Zuschüsse)

Das Verteidigungsministerium hat in den letzten Jahren durchschnittlich eine Summe von über 60 Millionen Euro für die Sportförderung erhalten (vgl. Bundesinnenministerium des Inneren, 2011, 1) und davon über 50 % „exklusiv in die Spitzensportförderung investiert, Zitatende? was heißt, dass über ein Viertel des Gesamtetats des Spitzensports in Deutschland für ca. 800 Athleten in der Bundeswehr zur Verfügung steht. Die Förderplätze werden durch den DOSB und das Streitkräfteamt in Relation zu den Förderkontingenten für olympische und nicht-olympische Spitzenverbände verteilt (vgl. Bundeministerium des Inneren, 2010b, 6). 20 Millionen Euro der insgesamt 33 Millionen Euro sind für Personalkosten der Spitzensportler vorgesehen (vgl. Bundesministerium des Inneren, 2011). Die zurzeit über 10 Sportfördergruppen der Bundeswehr profitieren spürbar von diesen finanziellen Zuschüssen.

Die duale Karriere der Bundeswehrsoldaten wird durch die intensive finanzielle und ideelle Förderung der Bundeswehr gewürdigt. Zusätzlich erhält die Bundeswehr 270.000 Euro als Verpflegungszuschuss für die Leistungssportler. Im Bundeswehrhaushalt ist die Summe der Förderung des Sports und Spitzensports nicht aufgeschlüsselt, inoffiziell wird die Gesamtsumme auf bis zu 100 Millionen Euro im Jahr geschätzt, offiziellen Angaben der Bundeswehr zufolge belaufen sich die Ausgaben auf ca. 60 Millionen Euro. Dies verdeutlicht die gute finanzielle Unterstützung der Sportler während ihrer sportlichen Karriere bei der Bundeswehr“ (Bendrich, 2015).

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Braucht der Spitzensport die Bundeswehr?

Effizienz der Spitzensportförderung innerhalb der Bundeswehr

Es ist seit Jahrzehnten bekannt, dass die Förderung innerhalb der Bundeswehr gravierende Mängel vorzuweisen hat und die Athleten besonders nach ihrer aktiven Karriere auch mit den erwähnten Veränderungen (siehe Statement DOSB) wie dem Programm „Sprungbrett“ deutliche biographische Nachteile haben. Über 95% der Athleten verbleiben nach ihrer aktiven Karriere nicht in der Bundeswehr und müssen sich zwangsläufig beruflich umorientieren. Zudem differenziert Hartung richtigerweise zwischen der Bundeswehr und den beiden anderen Institutionen, der Bundespolizei und des Zolls. Es zeigt, dass sich der Athletensprecher mit der Thematik detailliert auseinandergesetzt hat und er sich der Problematik der staatlichen Förderung bewusst ist. Hartung sagt: „Bei der Polizei, in den Ländern und beim Bund erhalten die geförderten Athleten eine Berufsausbildung und haben die Aussicht, nach dem Sport übernommen zu werden. Bei der Bundeswehr ist dies generell nicht der Fall“.

Hartung kristisiert, dass die Streitkräfte bei ihrer Förderung nicht nach Leistung differenzieren und der Verwaltungsaufwand, der bei der Bundeswehr entstehe, enorm sei. Dies bestätigt der Bundesrechnungshof und bemängelt die fehlenden Erfolgskontrollen.

In vielen Bereichen ist selbst für den Bundesrechnungshof nicht erkennbar, für was die finanziellen Mittel eingesetzt werden. So ist auch eine Effizienzanalyse von außen unmöglich (vgl. Bundesrechnungshof, 2009, 158). „Bislang konnte die höhere Effektivität einer dualen Karriere bei der Bundeswehr gegenüber anderen Formen der Förderung von Spitzensportlern nicht belegt werden. Der Bundesrechnungshof beanstandet das Eigenleben des Sports und die nicht vorhandenen Effizienzüberprüfungen des Systems, genauso wie die Intransparenz und die fehlende Sportkonzeption in Bezug auf den Spitzensport dieser zum öffentlichen Dienst gehörenden Institution. Im Erlass aus dem Jahre 1992 zur Durchführung der Spitzensportförderung sind keine Ziele der Förderung oder Integrationsansätze für das gesamte Sportkonzept der Bundeswehr zu identifizieren (vgl. Bundesrechnungshof, 2009, 158)“ (Bendrich, 2015, 89-90). Besonders das fehlende Sportkonzept ist ein Armutszeugnis für die Spitzensportförderung innerhalb der Streitkräfte.

 

Berufliche und spitzensportliche Förderung in der Bundeswehr

Innenminister de Maiziere sieht die Bundeswehr als ein wichtiges Sprungbrett der dualen Karriere an. De Maiziere spricht zudem hinsichtlich der Spitzensportförderung in Deutschland von einer generellen Wahlfreiheit der Athleten, doch genau diesen Aspekt kritisieren Hartung und viele Athleten, denn viele von ihnen wollen nicht Teil der Bundeswehr sein, nutzen die Förderung jedoch oft auch gegen ihren Willen, da sie von ihren jeweiligen Verbänden gedrängt und eben nur bei der Bundeswehr die finanziellen Sicherheiten während der spitzensportlichen Karriere erhalten, die sie in vielen anderen Bereichen bis heute vermissen. Von einer vorhandenen Wahlfreiheit zu sprechen, entspricht nicht der Realität.

Des weiteren hat die singuläre Fokussierung der Athleten während ihrer spitzensportliche Karriere, auch im Anschluss nicht den Vorteil – wie der Innenminister behauptet -, dass sich der Athlet nach der Karriere erst für einen Beruf entscheiden muss. Vielmehr überwiegen die Nachteile beim Start einer beruflichen Ausbildung mit Ende 20 bzw. Anfang 30. Viele dieser Athleten sind bereits allein durch ihr Alter in der Berufswelt weit abgehängt, zudem bedarf eine Karriereplanung einer besonderen Disziplin, sich in diesem Alter nochmals fortzubilden. Viele der Athleten haben jahrelang keine Bildungsinstitution mehr besucht, eine Rückkehr zu diesen Strukturen fällt naturgemäß schwer und gelingt nur mit eisernem Willen. Vielen gelingt es jedoch nicht, sodass sie biographisch bereits mit Anfang 30 weit abgehängt sind und der Übergang in die Berufswelt schwerfällt bzw. misslingt und sie abermals auf staatliche Hilfen angewiesen sind. Die singuläre Fokussierung in der Bundeswehr ist mit einem hohen persönlichen biographischen und finanziellen Risiko verbunden, dies verschweigt de Maiziere in seinen Ausführungen. Zudem gibt es im Bereich der Bundeswehr weitere fragwürdige strukturelle Gegebenheiten.

„Bundestrainer und Sportdirektoren haben im Rahmen der Strukturen der Bundeswehr oftmals den Rang eines Feldwebels inne und sind diejenigen, die die Talente für die Bundeswehr aussuchen“ (vgl. Reinsch, 2011, 32 in Bendrich, 2015). Athleten sind so oft auf doppelte Weise von ihren Trainern abhängig. Die Trainer entscheiden sowohl über die sportliche und als auch berufliche Zukunft bei der Bundeswehr. Zudem werden die militärischen Ausbildungsprogramme für die Spitzensportler auf ein absolutes Minimum reduziert. So nehmen das Training, die Vorbereitung und die Wettkämpfe ca. 70 % und die militärische Ausbildung lediglich ca. 30 % des Dienstes ein (vgl. Kuhlen/ Sarsky, 2009, 9; Emrich, 1996, 63). Breuer und Wicker (2010) zeigen, dass der spitzensportliche Anteil deutlich über diesen 70% liegen muss (vgl. Breuer/ Wicker, 2010, 16). Letztendlich kann von einem „Scheinarbeitsverhältnis“ zwischen Bundeswehr und Athlet, gesprochen werden (vgl. Maennig, 2012, 4), da in der Grundausbildung lediglich auf ein Mindestmaß reduzierte militärisch notwendige Ergänzungs- und Wiederholungsausbildungen Wert gelegt wird. Der Athlet muss einen von vier Lehrgängen von einer Dauer von etwas über 5 Wochen im Jahr besuchen (vgl. Olympiastützpunkt Rheinland, o.J.a, 1-2, Bendrich, 2015, 88). Maennig stellt fest, dass das „Scheinsoldatentum“ sich als Ergebnis eines Sozialisationseffektes mit fehlenden Anforderungen in verschiedenen Lebensbereichen auf die sportliche Motivation und Leistungen niederschlägt (vgl. Maennig, 2012, 3). „Bis vor 6 Jahren war ein Hochschulstudium in der Armee nicht vorgesehen (vgl. Bundeswehr, 2011, 8) und ist auch aktuell nur wenn mit dem Sport und Dienst vereinbar, das heißt mit den Sichtweisen der Vorgesetzten (Trainer, Bundeswehr) vereinbar sind, erlaubt.

Zudem war bis 2010 eine Berufsausbildung bei einer Verpflichtungsdauer von unter 8 Jahren nicht möglich (vgl. Kuhlen/ Sarsky, 2009, 8). Seit 2010 gibt es eine Genehmigung von leistungssportgerechter Ausbildung/ Studium durch die Bundeswehr (vgl. Bundeswehr, 2013, 9), die wiederum betont: “Hierbei haben die Terminsetzungen des Dienstherrn Bundeswehr, insbesondere für die militärischen Ausbildungsgänge, als auch die sportfachlichen Vorgaben der Spitzenverbände Priorität“ (Bundeswehr, 2013, 5). Ein echtes Interesse an einer dualen Karriere im Hinblick auf eine Hochschulkarriere kann seitens der Bundeswehr ausgeschlossen und seitens des Kooperationspartners DOSB angezweifelt werden. Die Spitzensportler werden Mittel zum Zweck. Spitzensportler in der Bundeswehr können im Gegensatz zu den Sportlern bei der Polizei oder dem Zoll nicht direkt den Beruf wählen (vgl. Bundesministerium des Inneren, 2010b, 9). Sie entscheiden sich auf Grund der guten sportlichen Bedingungen für die Bundeswehr, und nicht aus Interesse am Beruf des Soldaten. Sie werden für den Zeitraum ihrer aktiven Karriere zu Sportprofis im Staatsdienst und für die Zeit danach kann diese einseitige Lebensweise im Sozialfall enden. Selbst das Karriereende des Sportsoldaten ist häufig fremdbestimmt. Es sind Bundestrainer und Sportdirektoren, manche von ihnen Feldwebel und damit beruflich Vorgesetzte, die entscheiden, für welchen Sportler die Zeit bei der Bundeswehr beendet ist (vgl. Reinsch, 2011, 32). Generell ist die Verlängerung der Verpflichtungsdauer für Spitzensportler nur jährlich möglich und in erheblichem Maße von der sportlichen Leistung abhängig (vgl. Kuhlen/ Sarsky, 2009, 8), was auch die stark angestiegene Anzahl von Stellen für Zeitsoldaten unter den Spitzensportlern bestätigt (vgl. Bundesrechnungshof, 2009, 158). Eine Übernahme als Berufssoldat ist in der Regel nicht möglich, lediglich zwei Athleten pro Jahr und Jahrgang erhalten im Rahmen einer „Bestenauslese“ diese Gelegenheit (vgl. Kuhlen/ Sarsky, 2009, 8 in Bendrich, 2015, 89-90).

Fazit

Hartung spricht wichtige, über Jahrzehnte gewachsen strukturellen Probleme an und anstatt ihn öffentlich abzukanzeln, wäre es angebracht über die Kritikpunkte Hartungs zu diskutieren. Der deutsche Sport schmückt sich gern mit der Idee des mündigen Athleten. Nun meldet sich solch ein Athlet, dazu noch gewählter Athletensprecher zu Wort und traut sich, sich in die aktuellen Diskussionen miteinzubringen. Doch anstatt die Worte des Sprechers und Topathleten aufzugreifen und Probleme sowie Diskrepanzen zu diskutieren, möchten der DOSB und das Bundesministerium der Verteidigung eine Diskussion mit einer pauschalen anderen Bewertung vermeiden. Zudem haben die Aussagen des Athleten bereits direkt persönliche Folgen. Noch am gleichen Tag, als in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung das Interview mit dem zum neuen Vorsitzenden der Athletenkommission im Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) gewählten Spitzensportler erschien, lehnte die Bundeswehr den Antrag Hartungs auf Einberufung zu einer Wehrübung ab. Zur Begründung werden auch die Äußerungen des Säbelfechters in der F.A.Z. angeführt (vg. FAZ, 2017, link: http://www.faz.net/aktuell/sport/sportpolitik/max-hartung-nach-kritik-in-faz-interview-von-bundeswehr-abgestraft-14852469.html?GEPC=s3).

Es wird versucht, Hartungs Äußerungen schnell als Einzelmeinung abzutun und nicht als die eines Kollektivs oder Gruppe. Andere Athleten sollten ihre Erfahrungen einbringen und dankbar sein für einen die Diskussion nicht scheuenden Athletensprecher. Selbstverständlich sollten auch andere Meinungen bzw. positive Erfahrungen mit einbezogen werden. Schlussendlich geht es darum, ein System effizienter und fairer zu gestalten und das für alle Athleten. Sonst bleibt die Spitzensportförderung auch weiterhin objektorientiert und weniger subjektorientiert. Um die Bedürfnisse des einzelnen Athleten stärker in den Fokus zu rücken, bedarf es kritischer Stimmen, besonders kritischer Athleten.

Wenn Spitzenverbände tatsächlich an den mündigen Athleten und dem zukünftigen Nachwuchs Interesse haben, sollten sie die Kritik Hartungs ernst nehmen und eine öffentliche Diskussion zulassen. Nur über neue Strukturen werden sich Athleten für den Spitzensport auch in Zukunft begeistern lassen. Immer mehr junge Erwachsene wollen studieren bzw. streben einen Universitätsabschluss an. Dieser Trend ist in vielen Sportarten zu erkennen. Hartung spricht so nicht nur ein aktuelles, sondern auch ein mögliches zukünftiges Nachwuchsproblem an.

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Autor: derballluegtnicht

Writes about the politics of sports. For him sports and politics always mix.

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