Frust über das System Sportdeutschland (Teil 2)

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Olympische Ringe Photo: @Ozzy Delaney

Hier gelangen Sie zum ersten Teil des Kommentars: https://derballluegtnicht.com/2016/08/23/frust-ueber-das-system-sportdeutschland-teil-1/

Nur noch wenige Tage bis zur Veröffentlichung der Leistungssportreform des DOSB. In dieser Woche teilte der parlamentarische Staatssekretär Ole Schröder mit:

„Wir sind noch nicht fertig mit der vollständigen Ausarbeitung der Spitzensportreform. Wir sind schon sehr weit und wenn es jetzt noch Änderungen bedarf für 2017, wird das im parlamentarischen Verfahren eingearbeitet werden“ (Schröder, 2016, siehe Kempe, 2016).

Erste Entscheidungen und Strukturen hinsichtlich der Leistungssportreform will der Bundesinnenminister de Maiziere nächste Woche im Sportausschuss und der DOSB den Verbänden am 17. Oktober vorstellen.

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Olympische Ringe Photo: @Ozzy Delaney

Es sind nur wenige Details bekannt, jedoch lassen sich aus Aussagen der Verbandsfunktionäre erste Denkanstöße ableiten. Der DOSB möchte sich von den in die Kritik geratenen Begriffen der Grund- und Projektförderung und den Zielvorgaben trennen und diese durch neue Förderstufen und mehr Transparenz ersetzen. Doch wird dieses neue Programm den Spitzensport reformieren, oder ist es vielmehr ein trojanisches Pferd für einige Fachverbände und Sportler?

Die drei neuen Förderstufen der Leistungssportreform lassen durchaus gute Ideen erkennen, jedoch besteht die Befürchtung, dass viele dieser Ideen als Denkansätze auf dem Papier verbleiben und letztendlich der DOSB und das BMI abermals das Sagen über endgültige Entscheidungen haben werden anstatt Wissenschaftler und aktive/ ehemalige Athleten mit der Entwicklung von Strukturveränderungen und Fördermöglichkeiten zu beauftragen. Es besteht die Befürchtung auf Seiten vieler Verbände und Sportler, dass es auch diesmal wieder um Machterhaltung innerhalb des deutschen Sports geht und die neuen Förderstufen durch die mächtigen Funktionäre zu eigenen Gunsten ausgehebelt werden.

Selbstverständlich ist eine Aufweichung der Förderstrukturen von Nöten, um Sportarten wie die olympische Kernsportart Schwimmen nicht ausbluten zu lassen, dies steht außer Frage; jedoch nur mit neuen überzeugenden und ernsthaften Programmen sollten diese Verbände auch weiterhin gefördert werden.

Fördersumme 2017

Zunächst die aktuellen Zahlen zur Spitzensportförderung in Deutschland: 160 Millionen Euro sollen im kommenden Jahr in den Spitzensport fließen.

Fördermittel für den deutschen Spitzensport im Jahre 2017
Verbände/ Institution Summe
olympischen Spitzensportverbände: 62,79 Millionen Euro (2016: 63,14 Millionen Euro)
nichtolympischen Verbände: 2,4 Millionen Euro erhalten (2,46 Millionen Euro).
paralympischen Sport : 7,13 Millionen Euro (7,23 Millionen Euro)
olympischen Spitzensport: Projektfördermittel in Höhe von 71,56 Millionen Euro (75,38 Millionen Euro)
paralympische Spitzensport: Projektfördermitteln in Höhe von 323.000 Euro (630.000 Euro)
Sportförderung zuzurechnende Personal- und Sachkosten im BMI: 4,7 Millionen Euro (4,58 Millionen Euro)
Sportförderung zuzurechnende Personal- und Sachkosten im Bundesinstitut für Sportwissenschaften und BISp: 3,73 Millionen Euro (3,86 Millionen Euro)
Bundesinstitut für Sportwissenschaften bei der Bundespolizei: 10,16 Millionen Euro (9,96 Millionen Euro)
Gesamtsumme: ca. 160 Millionen Euro

 

Leistungssportreform – Was bis heute bekannt ist

Bis heute ist über ein neues Förderprogramm Folgendes bekannt: Die aktuelle Grund- und Projektförderung, die für die Olympischen Spiele in Rio genutzt wurde, soll spätestens 2018 vollständig abgeschafft werden. Zukünftige Potentiale sollen für jede einzelne Disziplin und nicht Sportart eine prominentere Rolle spielen. Eine Bewertungskommission aus Mitgliedern des DOSB und externen Beratern bzw. Wissenschaftlern soll jede einzelne olympische Disziplin minutiös analysieren und bewerten (Anteil der unterschiedlichen Experten noch unbekannt). Eine Kommission mit externen Beratern ist zu begrüßen. Wie diese Kommission konkret besetzt werden soll und wie viel Entscheidungsspielraum sie später erhält oder eher zu einer Beratungskommission verkommt, ist noch nicht bekannt.

Nach dieser Bewertung durch die Kommission sollen die Sportarten durch ein neuartiges Computerprogramm analysiert und in drei unterschiedliche Fördergruppen/ Cluster unterteilt werden. Die Gruppe eins wird dabei die umfangreichsten Fördersummen erhalten und Gruppe drei die wenigsten (vgl. http://www.sueddeutsche.de/sport/sportpolitik-mehr-als-kriterien-1.3126916). Verbände in Cluster 3 werden zu kämpfen haben. Jedoch ist mit diesem Schritt nicht die Evaluation der Sportarten beendet, sondern es folgt ein weiterer Schritt, der einen wohl wichtigen Einfluss auf die Förderung haben kann und vermutlich haben wird: die Gespräche zwischen BMI, DOSB, Bundesländern und den Fachverbänden. Diese präsentieren der neuen Kommission ebenfalls Vorschläge. Wie dieser Prozess detailliert ablaufen soll, wird entscheidend für Veränderungen sein. Es stellt sich Frage, was passiert, wenn sich die einzelnen Akteure/ Institutionen in diesen Gesprächen nicht einig sind und die Bewertungskommission und der DOSB und das BMI unterschiedlicher Ansicht sind bzw. zu weit auseinander liegen? Gelangen wir dann wieder zum Ausgangspunkt? Wie geht es weiter? Oder sprechen dann DOSB und BMI das Machtwort? Schafft dieser Prozess Transparenz? Es entstehen Fragen über Fragen!

Rhetorik der Führungspersonen

Der DOSB Präsident Hörmann spricht seit den Olympischen Spielen in Rio in diesem Zusammenhang von den leistungsbereiten und leistungsfähigen Spitzensportlern, die der Verband in Zukunft besonders fördern möchte. Diese Ausdrucksweise irritiert, da sie sich einer alten bereits aus den letzten Jahrzehnten bekannten und in den 70ger Jahren entstandenen Denkweise anschließt und Spitzensportler abermals durch neue Strukturvorgaben erheblich unter Druck setzt, Leistungen zu erbringen. Zudem widersprechen diese Strategien den noch jungen Worten des Bundespräsidenten Gauck bei der Willkommensfeier der deutschen Athleten aus Rio in Frankfurt.

„Ich möchte nicht Präsident eines Landes sein, das Medaillen um jeden Preis will. Das hatten wir schon einmal in Deutschland. Wir wollen stolz auf das sein, was wir mit Fairness und mit eigenen Mitteln geschafft haben. Und das ist viel“ (Gauck, 2016).

Mit dem jetzigen Führungstrio im DOSB und BMI erscheint ein solcher Paradigmenwechsel im deutschen Spitzensport unwahrscheinlich. Hörmann und Vesper, Funktionäre der alten Schule und tief verwurzelt im System „Bach“, und ein Innenminister, der als ehemaliger Verteidigungsminister, die Förderstrukturen des Spitzensports innerhalb der Bundeswehr nicht anzweifelt und aktuelle Fördermaßnahmen ausgiebig lobt, machen tiefgreifende Reformen unwahrscheinlich. DOSB-Präsident Alfons Hörmann und Bundesinnenminister Thomas de Maizière hatten bereits im März bekräftigt, dass sie „partnerschaftlich, Hand in Hand“ arbeiten wollen. Doch tiefgreifende Reformen wären wichtig und könnten dem deutschen Spitzensport entscheidende Impulse geben. Würden allein die auf einzelne Institutionen festgeschriebene Summen (z.B. die 30 Millionen Euro der Bundeswehr) der gesamten Athletengruppe als Fördermittel bereitgestellt, würde dies unerwartete Potentiale freisetzen. Würde man die duale Karriere an sich in den Vordergrund stellen, wäre viel getan und man würde sich den Worten Gaucks deutlich annähern. Selbstverständlich sollten Spitzensportler auch weiterhin die Möglichkeit erhalten ihre duale Karriere bei der Bundeswehr zu verfolgen. Jedoch sollten duale Karrieren jeglicher Art in gleichem Maße gefördert werden und besonders von einer singulären Förderung innerhalb des Militärs (aus Zeiten des kalten Krieges) Abstand genommen werden.

„Unsere Aufgabe ist es, die sportfachliche Beurteilung und Führung zu übernehmen“ (Hörmann, 2016).

In wie weit werden die Funktionäre dieser Aufgabe gerecht? Viele der Funktionäre kennen die Probleme der Basis des Leistungssports nicht ausreichend und auch die Berufsinteressen der deutschen Spitzensportler haben sich in den letzten Jahren deutlich verändert.

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Olympische Ringe Photo: @Ozzy Delaney

DOSB und BMI werden weiterhin an den vorhandenen Fördermaßnahmen festhalten, anstatt diese auf ihre Effizienz zu überprüfen (siehe Kritik des Bundesrechnungshofes). Wieso wird an der Förderung der Bundeswehr festgehalten, obwohl sowohl die sportlichen Erfolge in den olympischen Sommersportarten unterdurchschnittlich sind (siehe Maennig, 2012) und auch die Effizienz der Förderung in den letzten Jahrzehnten nicht überprüft worden ist? Die unübersichtlichen Strukturen machen eine Überprüfung aktuell unmöglich.

 

Die duale Karriere und der DOSB

Zudem ist es wenig beruhigend, dass lediglich eine hauptamtliche Stelle im DOSB sich mit dem Thema „duale Karriere“ beschäftigt. Was ist aus dem Zehn-Punkte-Papier des DOSB zur Dualen Karriere aus dem Jahre 2013 geworden? Die Möglichkeit einer dualen Karriere für die Spitzensportler ist entscheidend für den sportlichen und nachfolgenden beruflichen Erfolg. Dies ist auch das Fazit einer Studie der Deutschen Sporthochschule Köln, die auf einer Online-Befragung aktiver und ehemaliger Spitzenathleten beruht (siehe Breuer, 2015).

Für einen Mitarbeiter das gesamte Thema der dualen Karriere abzudecken, erscheint unmöglich. Dies sind nicht nur die studentischen Spitzensportler sondern alle Leistungssportler mit einer parallelen Berufsausbildung. Dass die Kapazitäten dadurch begrenzt sind, ist verständlich. Konträr dazu betont der DOSB jedoch immer wieder, wie wichtig die duale Karriere ist und sein wird, scheint jedoch mit den eigenen Ressourcen wenig für diesen wichtigen Bereich zu tun.

Die duale Karriere im DOSB – Am Beispiel adh

Auch die Kooperation mit dem Verband der deutschen studentischen Spitzensportler erscheint unbefriedigend. Die Kommunikation zwischen den beiden Verbänden ist hinsichtlich des Themas studentischer Spitzensport unbefriedigend und nahezu nicht existent.

Die erst vor wenigen Monaten gelaunchte Website „duale-Karriere.de“ ist ein herbe Enttäuschung für die aktiven Athleten und verdeutlicht die Hilflosigkeit und den Aktionismus des Spitzenverbandes in diesem Bereich. Viele der auf der Seite präsentierten Informationen und Hilfestellungen waren bereits auf der Homepage des DOSB zu finden. Besonders für Spitzensportler mit Interesse an einer dualen Karriere an deutschen Hochschulen ist diese Informationsplattform lediglich ein erster Anhaltspunkt im tiefen Dickicht des unübersichtlichen Datenjungle des deutschen Spitzensports. Selbst der adh wurde nicht mit in die Entwicklung der Homepage eingebunden und auch nicht hinsichtlich wichtiger Kooperationshochschulen befragt. Und dies obwohl der adh dem DOSB die Namensrechte an der Website überlassen hatte. Vielmehr entschied sich der DOSB die Universitäten auf direktem Wege zu befragen, ohne den adh miteinzubinden. Dies führte auch auf Seiten der Hochschulen und des adhs zu Irritationen. Der Dachverband arbeitete bewusst an einem Mitgliedsverband vorbei. Wie es schlussendlich zu der Auswahl der Hochschulen auf der Homepage „duale Karriere“ gekommen ist, bleibt bis heute unklar. Zunächst wurde eine scheinbar willkürliche Auswahl und Anzahl an Hochschulen präsentiert. Erst nach einigen Wochen fiel dem Dachverband z.B. auf, dass sie selbst die von ihnen hochgelobte Militärhochschule in Hamburg nicht mit aufgelistet hatten.

Die Entwicklung der Homepage spiegelt einen undurchdachten Aktionismus des DOSB wider, der dem deutschen Spitzensport in turbulenten Zeiten in der Öffentlichkeit nicht gut zu Gesicht steht. Nun ist der Verband in der Pflicht, hinsichtlich der Leistungssportreform einen besseren und besonders transparenteren Job zu machen.

 

Hier gelangt ihr zu Teil 1: https://derballluegtnicht.com/2016/08/23/frust-ueber-das-system-sportdeutschland-teil-1/

Weitere Links:

  1. http://www.deutschlandfunk.de/bundestags-sportausschuss-sportfoerderung-fuer-2017.890.de.html?dram:article_id=366538
  2. http://www.deutschlandfunk.de/sportfoerderung-wenig-geld-fuer-behindertensportler.1346.de.html?dram:article_id=364296
  3. http://www.bisp.de/SharedDocs/Downloads/Publikationen/sonstige_Publikationen_Ratgeber/Breuer_Dysfunktionen.pdf?__blob=publicationFile
  4. http://www.sueddeutsche.de/sport/sportpolitik-mehr-als-kriterien-1.3126916

Fotografen:

  1. https://www.flickr.com/photos/24931020@N02/
  2. https://www.flickr.com/photos/uwehiksch

Frust über das System Sportdeutschland (Teil 1)

Higor de Padua Vieira Neto Rio de JaneiroDie deutschen Sportler haben mit guten Ergebnissen bei den Olympischen Spielen überrascht. Viele der Medaillen kamen teilweise unerwartet und zeigen, wie ehrgeizig die Athleten ihr Ziel, das Gewinnen einer Medaille, verfolgen. Viele der Athleten sind über sich hinausgewachsen und haben den Weltsport verblüfft. Andere haben ihre persönlichen Bestleistungen verbessert. Diese Ergebnisse werden oft nicht ausreichend von der Gesellschaft gewürdigt. Bestleistungen erringen heißt, diese Athleten waren noch nie schneller, waren noch nie besser, haben auf den Punkt ihre Höchstleistung erbracht. Welchem Büroangestellten, welchem Konzernchef gelingt es, auf den Tag genau seine Bestleistung zu erbringen? Nicht vielen! Die Leistungen der deutschen Spitzensportler sind in vollem Umfang zu würdigen.

Die aktuellen Strukturen und Umstände der Athleten detaillierter betrachtet, ist die Ausbeute nicht „durchwachsen“ (Worte des DOSB Präsidenten), sondern vielmehr positiv überraschend. Die deutschen Sportler sind trotz erheblicher struktureller Probleme im System Sportdeutschland über sich hinausgewachsen. 17 Goldmedaillen sind ein gutes Ergebnis. Die Olympiamannschaft profitiert auch von den erfolgreichen Fußballerinnen und Fußballern und erfahrenen Leistungssportlern wie Fabian Hambüchen oder Kristina Vogel. Zudem überraschten die Schützen mit sensationellen Leistungen (siehe https://derballluegtnicht.com/2016/08/15/die-goldmedaille-eines-studentischen-spitzensportlers-henri-junghaenel/). In den olympischen Kernsportarten hingegen gingen die deutschen Athleten „baden“. Die Ausbeute blieb deutlich hinter den Erwartungen zurück. Spezielle Projekte, initiiert durch den Schwimmverband dsv, hatten keine positiven Auswirkungen. Die Großen der Leichtathletik schwächelten in ihren Wettkämpfen, sodass das Ziel des dlv von 4-6 Medaillen auch in der Leichtathletik nicht erreicht werden konnte. Doch es gab die positiven Überraschungen des Thomas Röhler und des unangepassten Christoph Harting.

Around the rings1992 Maracana Stadium

Auch die Fechter (sie blieben erstmals seit 36 Jahren ohne eine Medaille) sowie Kampfsportarten blieben hinter den Erwartungen zurück. Insgesamt ist die Summe der sportlichen Erfolge der deutschen Olympiamannschaft seit Barcelona 1992 gesunken.

Doch warum ist das Ergebnis im Hinblick auf die Athleten trotzdem als gut zu bezeichnen?

Wirft man ein Blick hinter die Kulissen wird deutlich, dass die Leistungen der Athleten als außergewöhnlich zu bezeichnen sind.

Im Durchschnitt haben Athleten in Deutschland nicht mehr als 620 Euro im Monat zur Verfügung, viele Sportler verdienen deutlich weniger als den festgeschriebenen Mindestlohn. Einige Sportler haben einen Stundenlohn von weniger als 2 Euro, trotzdem werden Weltklasseleistungen mehr oder weniger von der Öffentlichkeit und den Funktionären erwartet.

Der Frust der Athleten gegenüber dem deutschen Fördersystem wird größer. Athleten wollen die Restriktionen des deutschen Sportfördersystems nicht weiterhin hinnehmen, sondern beginnen Kritik zu äußern, sie erkennen, dass sie durch die aktuellen Strukturen eher eingeschränkt werden, als dass neue Energien freigesetzt werden können. Auch deutsche Fachverbände sind zunehmend unzufrieden mit den aktuellen Entwicklungen im deutschen Spitzensport. Viele der Fachverbände fühlen sich übergangen, haben Angst vor der Zukunft ihrer Sportart. Zum einen haben sie Angst vor Restriktionen und Reduzierungen der Fördersummen durch den DOSB und das BMI, zum anderen trauen sie sich nicht, sich zu den Missständen im aktuellen System zu äußern. Sie befinden sich in einer Zwickmühle, in der eine freie Meinungsäußerung nahezu unmöglich ist und echte Reformbemühungen unterdrückt werden. Es entsteht der Eindruck, dass aktuelle Machtverhältnisse und Strukturen durch eine mögliche Erhöhung der Fördersumme durch das Bundesministerium des Inneren erhalten werden sollen, anstatt ernsthaft zu reformieren.

Hinter verschlossenen Türen wird bereits um Fördersummen gekämpft. Vermutlich werden wie in der Vergangenheit die besten Lobbyisten der einzelnen Fachverbände aktiviert, um Einfluss auszuüben, um so möglichst hohe Fördersummen für den eigenen Verband zu sichern. Eine ernsthafte Reform wird somit womöglich verhindert.

Parallel dazu fühlen sich viele der Athleten vom Spitzenverband und den Fachbänden übergangen. Der einzelne Athlet und auch die Athleten als Gruppe werden abermals bei wichtigen Entscheidungen nicht mit eingebunden und wenn, dann nur in einem geringen Maße. Zu wenig Förderung kommt bei dem einzelnen Athleten an, sie überleben häufig nur aufgrund der Unterstützung der eigenen Familie und regionalen Kleinsponsoren und der Hilfe der Deutschen Sporthilfe. Eine subjektorientierte Förderung der Athleten fehlt.

Aktuelle Förderstrukturen

Obwohl der DOSB in seinem Strategiepapier 2020 den selbstbestimmten Sport (unabhängig von staatlichen Einflüssen und Vorgaben) propagiert, fördert er in Kooperation mit dem BMI besonders die Förderstellen innerhalb der Bundeswehr (vgl. http://www.jensweinreich.de, S.5 im Strategiepapier). Der DOSB erkennt bis heute nicht, dass die eindimensionale Ausbildung der Athleten bei der Bundeswehr nicht der Weg eines modernen deutschen Spitzensports sein kann. Zeitsoldaten werden bis auf die Grundausbildung von allen militärischen Übungen und Ausbildungen auf einen begrenzten Zeitraum befreit und können sich ausschließlich auf den Spitzensport konzentrieren. Was zunächst nach einer exklusiven Spitzensportförderung aussieht, hat erhebliche Spätfolgen für den einzelnen Athleten, seinen Lebenslauf und die Gesellschaft. Selbstverständlich erscheint eine solche Förderstelle auf Zeit zunächst reizvoll, jedoch schränkt sie in vielen Fällen die Entwicklung der Persönlichkeit des Spitzensportlers eher ein, als ihn zu einem wichtigen Bestandteil der Gesellschaft zu machen. Durch den nicht unerheblichen Anteil dieser Förderstellen und fehlender effektiver Alternativen werden viele der Athleten durch strukturelle Vorgaben in bestimmte Stellen hineingezwungen. Eine freie Wahl ist nahezu unmöglich, da Alternativen nur selten präsentiert werden bzw. existieren. Nach ihrer aktiven Karriere ist der Übergang in das Berufsleben häufig holprig und mit vielen unüberwindbaren Hürden verbunden. Wie soll es einem Spitzensportler gelingen, nach Karriereende in der Gesellschaft Anschluss zu finden, wenn er keine konkrete Aufgabe erhalten oder Ausbildung genossen hat. Auch während eines Interviews mit dem ZDF hat Alfons Hörmann abermals die Arbeit der Bundeswehr als wichtiges Element der Spitzensportförderung gepriesen. Bis heute wurde dieses Fördermodul nicht evaluiert. Es ist völlig unklar, wie effektiv es wirklich ist. Vergleicht man den spitzensportlichen Output mit dem finanziellen Input durch das Bundesministerium des Inneren und damit durch den Steuerzahler, wird deutlich, dass dieses System der Förderung der Bundeswehr nicht effektiv sein kann. Auch der Bundesrechnungshof hat dieses Fördermodul bereits in der Vergangenheit kritisiert, doch der deutsche Spitzenverband hält augenscheinlich auch in der Zukunft an der Förderung fest.

„Wir setzen uns dafür ein, die Leistungen des organisierten Sports für die Gesellschaft deutlicher darzustellen und sichtbarer werden zu lassen. Dafür verstetigen und erhöhen wir unsere Präsenz als Akteur in gesellschaftlichen Themenfeldern (z.B: Bildung, Teilhabe.)“ (Strategiepapier 2020 , abrufbar auf www.jensweinreich.de).

Trotz dieser Äußerungen scheint die duale Karriere in Hochschulen keine prominente Rolle in den Überlegungen des DOSB zu spielen. An alternativen Konzepten zur dualen Karriere wird seit Jahren intern gearbeitet, bis heute wenig präsentiert. Vereinzelte Initiativen sind durchaus zu begrüßen, sind jedoch im Umfang viel geringer als die zuvor präsentierten politisch gewollten Förderprogramme. Hauptamtlich arbeiten bis zu 1,5 Personen intensiv an den Konzepten der dualen Karriere. Wie soll es mit diesen Kapazitäten zu wirklichen Veränderungen kommen? Der Kontakt zum Verband des studentischen Spitzensports adh ist als sporadisch zu bezeichnen. Selbst bei der Entwicklung der Internetpräsenz „duale Karriere“ gab es keinen direkten Kontakt zwischen dem DOSB und dem adh. Der Launch der Seite wurde dem adh nicht im Vorraus mitgeteilt, obwohl der adh dem DOSB die Internetadresse freiwillig bereitgestellt hatte. Auch bei der Auswahl von empfohlenen Stützpunkten und Hochschulen wurde der adh ( zur eigenen Überraschung) nicht eingebunden. Wie es zur Auswahl einiger Standorte kam, ist nicht bekannt. Ob somit ein ernsthaftes Interesse am studentischen Spitzensport besteht, ist zumindest fraglich. Auch die auf der Internetpräsenz präsentierten Texte und Fördermöglichkeiten sind nicht neu und sind bereits auf der Seite des DOSB präsentiert worden (siehe http://www.duale-karriere.de/home/ ).

Doch wie soll das neue Konzept aussehen? Wie soll die Verteilung in Zukunft ablaufen?

Die Bestrebungen des DOSB erscheinen undurchsichtig und auch das Strategiepapier des DOSB verrät nicht viel Neues und konzentriert sich eindeutig auf die Außendarstellung des Verbandes und die Machtlegitimierung gegenüber den Fachverbänden (siehe https://www.jensweinreich.de/2016/07/29/strategiepapier-dosb-2020-die-neue-deutsche-olympiabewerbung-und-das-einheitsprinzip-von-klarheit-und-wahrheit/). Einige Verbände müssen sich vermutlich auf erhebliche Einschnitte einstellen. Dass der DOSB selbst Kompetenzen abgeben will, erscheint unrealistisch.

Bis heute ist über ein neues Förderprogramm Folgendes bekannt: Die aktuelle Grund- und Projektförderung, die für die Olympischen Spiele in Rio genutzt wurde, soll vollständig abgeschafft werden. Zukünftige Potentiale sollen für jede einzelne Disziplin und nicht Sportart eine prominentere Rolle spielen. Eine Bewertungskommission aus Mitgliedern des DOSB und externen Beratern und Wissenschaftlern soll jede einzelne olympische Disziplin minutiös analysieren und bewerten (Anteil der unterschiedlichen Experten noch unbekannt). Eine Kommission mit externen Beratern ist zunächst zu begrüßen. Wie diese Kommission konkret besetzt werden soll und wie viel Entscheidungsspielraum sie später erhält oder ob sie eher zu einem Beratungskommission verkommt, ist noch nicht bekannt.

Nach dieser Bewertung durch die Kommission sollen die Sportarten durch ein neuartiges Computerprogramm analysiert und in drei unterschiedliche Fördergruppen / Cluster unterteilt werden. Die Gruppe eins wird dabei die umfangreichsten Fördersummen erhalten und Gruppe drei die wenigsten (vgl. http://www.sueddeutsche.de/sport/sportpolitik-mehr-als-kriterien-1.3126916). Verbände in Cluster 3 werden zu kämpfen haben. Jedoch ist mit diesem Schritt nicht die Evaluation der Sportarten beendet, sondern es folgt ein weiterer Schritt, der einen wohl wichtigen Einfluss auf die Förderung haben kann und vermutlich haben wird: die Gespräche zwischen BMI, DOSB, Bundesländern und den Fachverbänden. Diese präsentieren der neuen Kommission ebenfalls Vorschläge. Wie dieser Prozess detailliert ablaufen soll, wird entscheidend für Veränderungen sein. Es stellt sich Frage, was passiert, wenn sich die einzelnen Akteure/ Institutionen in diesen Gesprächen nicht einig sind. Was passiert wenn die Bewertungskommission und der DOSB und das BMI unterschiedlicher Ansicht sind bzw. zu weit auseinander liegen? Gelangen wir dann wieder zum Ausgangspunkt? Wie geht es weiter? Wer spricht das Machtwort? Wird neu verhandelt? Schafft dieser Prozess Transparenz? Es entstehen Fragen!

Teil 2: Themen: Vorraussichtliche Fördersummen 2017,Leistungssportreform – Was bis heute bekannt ist, Die duale Karriere und der DOSB/ adh. Link: https://derballluegtnicht.com/2016/09/25/frust-ueber-das-system-sportdeutschland-teil-2/

Teil 3: Themen= die Dokumente zur Leistungssportreform, Die duale Karriere und das Eckpunktepapier des DOSB, Die Aufgabe der Laufbahnberater, Bildung und Spitzensport – Der studentische Spitzensport, Die Profilquote – Die Vor- und Nachteile, Förderung durch die Bundeswehr. Link: https://derballluegtnicht.com/2016/09/30/frust-ueber-das-system-sportdeutschland-teil-3-das-eckpunktepapier/

Teil 4:Das Potentialanalysesystem PotAS und die Folgen/ Fragen – Frust über das System Sportdeutschland (Teil 4) Link: https://derballluegtnicht.com/2016/10/07/die-potentialanalyse-potas-und-die-folgen-bzw-fragen-frust-ueber-das-system-sportdeutschland-teil-4/

Photos by: Around the rings1992 (Maracana) , Higor de Padua Vieira Neto

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