Deutsche Olympiabewerbungen: PR-Spektakel und Verzerrung der Realität – Grundlagen für einen demokratischen Entscheidungsprozess? 

Liebe Münchner, liebe Berliner, liebe Hamburger, liebe Ruhrpottler,  

Die aktuellen Werbekampagnen der jeweiligen Städte/Regionen sowie des DOSB erzeugen große Skepsis, da die Informationsbroschüren und Kampagnen signifikante Defizite in Bezug auf die Auswirkungen der Olympischen Spiele aufweisen. In der Tat lässt sich sogar von einer gewissen politischen Skrupellosigkeit sprechen, da entscheidende Argumente gegen eine Ausrichtung weder explizit erwähnt noch indirekt in Form von Nebensätzen angeführt werden. Gleichzeitig spricht z. B. der Münchner Rat von „transparenter Kommunikation und (einer) umfassenden Einbeziehung der Bevölkerung“. Gleiches suggeriert der „Olympi-O-Mat“ des DOSB, der eine Anspielung auf den „Wahl-O-Mat” ist. Letzterer stellt die Programme aller Parteien vor einer Bundestagswahl neutral gegenüber. Der DOSB missbraucht das Vertrauen in dieses Medium, indem er mit seinem eigenen Online-Abstimmungstool „Olympi-O-Mat“ durch Struktur und Design eine neutrale Position suggeriert, die Teilnehmer*innen beim Durchklicken jedoch lediglich über positive Effekte der Olympischen Spiele informiert oder ihnen Fragen stellt, die sie zu der Aussage „100 % für Olympia“ verleiten. Liegt hier vorsätzliche Täuschung vor? Diese Vorgehensweisen sollte der organisierte Sport nicht anwenden, da sie die eigene Glaubwürdigkeit massiv untergraben. 

Im Folgenden möchte ich darlegen, warum das Vorgehen in München und das vom DOSB Empörung auslösen. Zunächst ist festzuhalten, dass ich als Sportwissenschaftler und Breitensportler Sportveranstaltungen positiv gegenüberstehe. Eine deutsche Ausrichtung ist aus Sicht der Sportwissenschaft positiv zu sehen, da diese trotz ihrer gesellschaftlichen Relevanz – von Spitzensport über Gesundheit, Bildung hin zu sozialen Herausforderungen – chronisch unterfinanziert ist, und mit mangelnder Wertschätzung sowie dem fehlenden Austausch zwischen Wissenschaft, Sportorganisationen und Entscheidungsträgern kämpft. Ein solches Event könnte zu einem größeren Fokus verhelfen. 

Zudem ist es für jede*n einzelne*n Kaderathlet*in, möglicherweise vor der eigenen Familie und all den Freunden, in einem solch bedeutenden Weltsportereignis aktiv zu sein, ein unglaublich aufregendes Erlebnis, das durch einen Erfolg noch intensiviert werden kann. Jedem einzelnen Athlet*in, der sich heute unter den schweren Bedingungen, in Deutschland entscheidet, einer spitzensportlichen Karriere in Form einer dualen Karriere nachzugehen, sei dieses herausragende Erlebnis gegönnt. Die alltäglichen Belastungen und Herausforderungen, denen ein/ eine Spitzensportler*in ausgesetzt ist, in Kombination mit der psychischen Belastung, fortwährend sportliche Höchstleistungen erbringen zu müssen, sind signifikant. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass viele deutsche Athletinnen parallel eine Berufsausbildung bzw. ein Studium absolvieren, welches durch einen hohen qualitativen Anspruch gekennzeichnet ist. Infolgedessen sehen sich diese Athletinnen einer permanenten Doppelbelastung ausgesetzt und haben mit den Erwartungen unterschiedlicher gesellschaftlicher Teilsysteme zu kämpfen. Es ärgert, dass der deutsche Sport bis heute so wenig Profit aus den vielen tollen Persönlichkeiten im Sport schlägt. Ihre Leistungen sind beeindruckend – wer wünscht diesen Athlet*innen nicht eine möglichst hohe öffentliche Aufmerksamkeit und Wertschätzung? Falls die Entscheidung fällt, die Olympischen Spiele nach Deutschland zu vergeben, bin ich auf jeden Fall dabei, die Athlet*innen anzufeuern. 

Doch die Bewerbungen der deutschen Städte sind bei wichtigen Punkten problematisch. Sowohl der DOSB (mit seinen Olympi-O-Mat und seiner digitalen Informationskampagne „Dafür sein ist alles”) als auch die einzelnen deutschen Städte agieren nicht mit der erforderlichen Ehrlichkeit, Offenheit und Skepsis gegenüber den Olympischen Spielen und besonders dem IOC.  

Z.B. die Empfehlung des Deutschen Alpenvereins München, den sogenannten „Olympi-O-Mat“ zu nutzen, um “die wichtigsten Argumente und Informationen” bezüglich einer möglichen Olympiabewerbung zu erhalten, ist problematisch. Werden Inhalte vorenthalten, wie im Falle der Werbekampagne des DOSB, kommt es zu einer Verzerrung des Willensbildungsprozesses. In Bezug auf den Olympi-O-Mat warte ich nur auf diejenigen, die das Tool herunterreden, nachdem es detailliert analysiert wurde. „Das darf man ja alles nicht so ernst nehmen“ und so weiter. Aber schauen wir uns das Tool doch einmal genauer an! Der Olympi-O-Mat ist nicht, wie suggeriert, ein neutrales Informationstool, sondern vielmehr ein überzeugungsorientiertes, meinungsmachendes Instrument, das wichtige Informationen außer Acht lässt und beeinflussend wirkt. Zunächst einmal verstößt die Konstruktion gegen die Grundprinzipien der Neutralität und der qualitativen Sozialforschung. Klar, vielleicht war das von Anfang an auch gar nicht das Ziel, aber dieses Tool suggeriert allein durch seinen Namen Neutralität. Zudem reicht es, Folgendes von der Startseite des Tools zu zitieren: „Du bist noch unsicher, ob Olympische und Paralympische Spiele in Deutschland tatsächlich einen Mehrwert für dich haben? Der Olympi-O-Mat soll dich dabei unterstützen, eine Antwort auf diese persönliche Frage zu finden. Entdecke die wichtigsten Argumente und bilde dir deine Meinung, der Olympi-O-Mat ist ein Informationsangebot des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB).“ Doch der Olympi-O-Mat ist kein Informationsangebot, sondern lediglich ein PR-Instrument. Das Ziel ist eindeutig: Die Teilnehmer*innen sollen durch die Gestaltung, die Themenauswahl und das Framing zu einer generellen Zustimmung gebracht werden. Eine kritische Auseinandersetzung mit dem Thema „Olympische Spiele” findet erst gar nicht statt. 

Weiterlesen „Deutsche Olympiabewerbungen: PR-Spektakel und Verzerrung der Realität – Grundlagen für einen demokratischen Entscheidungsprozess? „

Zwischen Anspruch, Realität und Olympia-Träumen: Eine kritische Bilanz des deutschen Sportsystems 

Video: Zwischen Anspruch, Realität und Olympia-Träumen: Eine kritische Bilanz des deutschen Sportsystems 

Die Äußerungen der drei Sportfunktionäre Bernd Neuendorf vom Deutschen Fußball-Bund, Thomas Weikert vom Deutschen Olympischen Sportbund und Friedhelm Julius Beucher vom Deutschen Behindertensportverband im Interview mit der »Zeit«, wenige Wochen vor der Bundestagswahl, bewegen sich im Spannungsfeld zwischen Finanzierung und Glaubwürdigkeit. Zum einen wird mehr finanzielle Unterstützung für den Sport gefordert, zum anderen mehr Anerkennung. Diese Forderungen sind zunächst nachvollziehbar, wiederholen sich jedoch seit Jahren. Die höchsten Vertreter des deutschen Sports betonen kontinuierlich die Relevanz finanzieller Zuwendungen für den Sport, präsentieren jedoch keine neuen, differenzierten Ansätze zur Mittelverwendung. Diese wiederholten Forderungen deuten auf eine sogenannte Pfadabhängigkeit (path dependency) des organisierten Sports hin, bei der sich Handlungen oder Äußerungen in eine bestimmte Richtung entwickeln, weil sie bereits in der Vergangenheit häufig so getroffen wurden. Anstatt eine innovative Finanzierungspolitik oder eine neue Strategie zur Mittelverteilung zu entwickeln, wird auf alte Argumentationslinien zurückgegriffen. Problematisch erscheint die Argumentationslinie, da diese teils inkonsistent und widersprüchlich ist. 

So werden im Sinne einer weiteren Erhöhung der finanziellen Zuwendungen Argumente miteinander vermengt, die in der Realität wenig miteinander zu tun haben, so z.B. die ganz unterschiedlichen Probleme im Spitzensport und im Breitensport. Auf die problematischen Punkte wird im Folgenden näher eingegangen (in den vorliegenden Ausführungen werden (sinnvolle) Aspekte wie die potenzielle Implementierung eines Sportministers, einer täglichen Sportstunde, ein Investitionsprogramm für den Sportstättenbau sowie die Kapazitätsgrenzen einzelner Sportarten nicht erörtert; dies erfolgt zu einem späteren Zeitpunkt).

Warum DOSB-Präsident Weikert wiederholt die Olympiabewerbung so prominent, obwohl die eigenen Baustellen z.B. beim Sanierungsstau und den Mitgliederkapazitäten, laut eigener Aussage, so gravierend sind. Das vorliegende Interview leitet eine breite Diskussion über eine mögliche Olympiabewerbung ein, anstatt sich auf die defekten Hallen im Breitensport, das Fehlen von Ehrenamtlichen sowie die Probleme im Spitzensport, die sich aus der dualen Karriere, der finanziellen Unterstützung von Athlet*innen und der Bindung von Trainer*innen ergeben, zu konzentrieren.  Die Prioritätensetzung auf die Olympiabewerbung erscheint als eine verzerrte Form der Fokussierung, die die grundlegenden strukturellen Probleme des deutschen Sportsystems ignoriert. 

Die potenziellen Widerstände in der Bevölkerung in Bezug auf die Austragung der Olympischen Spiele werden verharmlost und die signifikanten ökonomischen, ökologischen und sozialen Nachhaltigkeitsfragen zu Großereignissen werden vernachlässigt. Es ist wenig überraschend, dass Weikert die medial sehr erfolgreichen Pariser Spiele als Beispiel für Deutschland anführt. Dabei wird jedoch außer Acht gelassen, dass auch die finanziellen Belastungen für den französischen Staat in Bezug auf die Olympischen Spiele als erheblich einzustufen sind. Als Argument für die Ausrichtung der Olympischen Spiele wird seitens Weikert die eigene Befragung des DOSB angeführt, in der sich angeblich 70 % der Bevölkerung für die Olympischen Spiele ausgesprochen haben (im Rahmen des Strategieprozesses zur möglichen Bewerbung um Olympische Spiele führte der DOSB eine bevölkerungsrepräsentative Befragung durch, um die gesellschaftliche Erwartungshaltung zu ermitteln; konkrete Ergebnisse dieser Umfrage wurden nicht veröffentlicht). So müssen die Umfrageergebnisse aufgrund der vorhandenen Intransparenz mit Vorsicht behandelt werden. 7 gescheiterte Olympiabewerbungen seit 1986 mit Bevölkerungsbefragungen zu München 2022 und Hamburg 2024 zeichnen ein anderes Bild, denn die Austragung Olympischer Spiele ist mit hohen finanziellen Aufwendungen verbunden. So beliefen sich die Kosten für die Olympischen Spiele in Tokio beispielsweise auf geschätzte 30 Mrd. Euro, was eine enorme finanzielle Belastung für die japanische Gesellschaft darstellt. Der Mehrwert solcher hochkommerzialisierten Gigaevents ist äußerst fraglich (dazu in den nächsten Wochen mehr). Ferner wird die gesundheitspolitische Nachhaltigkeit solcher Großprojekte zu optimistisch beurteilt. Die Austragung der Spiele in London hat gezeigt, dass es nicht möglich war, die Bevölkerung in nennenswertem Umfang für den Sport zu begeistern. Vielmehr ist in der britischen Gesellschaft ein Rückgang der sportlichen Aktivität nicht nur bei Jugendlichen zu beobachten. Auch die umfangreichen Bauprojekte scheinen keine positiven Auswirkungen auf die allgemeine Bevölkerung und den Breitensport zu haben. Die Olympischen Dörfer werden zu überhöhten Preisen vermarktet und die Sportstätten sind in der Regel überdimensioniert, um für große sportliche Veranstaltungen mit vielen Zuschauern zu dienen. Für den Breitensport werden jedoch Sportstätten mit wenigen Zuschauertribünen und einer Vielzahl an Spielfeldern benötigt, welche im Gegensatz zu den für den Spitzensport konzipierten Sportstätten stehen. Ferner sind die finanziellen Belastungen für die jeweilige Metropole häufig so hoch, dass im Anschluss viele soziale Projekte gestrichen werden, um die umfangreichen Schulden, die durch die Olympischen Spiele entstanden sind, abzubauen.

In den vergangenen 40 Jahren waren derartige Konsequenzen in nahezu allen Gastgeberstädten zu beobachten. Nur in seltenen Fällen waren die Olympischen Spiele eine wirtschaftlich nachhaltige Erfolgsgeschichte (LA84). Ist für den DOSB eine Breiten- und Spitzensportinitiative ohne Olympische Spiele nicht anstrebenswert?

Die Diskussion um die Finanzierung des Breitensports ist von Scheinheiligkeit geprägt. Der DFB hat in den vergangenen Jahren einen starken Fokus auf die Nationalmannschaft und den Profisport gelegt, während der DOSB sich konzeptionell auf den Leistungssport konzentriert hat. Dadurch wurde der Breitensport vernachlässigt, obwohl zahlreiche Vereine und Abteilungen unter finanzieller Belastung leiden und ehrenamtliche Nachwuchsförderung dringend benötigen. Zudem bleibt unklar, wie die geforderten zusätzlichen Millionen für den Breiten- und Leistungssport eingesetzt werden sollen. Eine kritische Selbstreflexion seitens der Präsidenten ist in dem Interview nicht erkennbar, auch die Frage nach der eigenen Effizienz bleibt unbeantwortet.

Dies ist umso erstaunlicher, da der organisierte Sport, insbesondere der Leistungssport, in den vergangenen Jahren eine deutlich erhöhte staatliche Zuwendung erhalten hat, die jedoch kaum Auswirkungen auf die Situation des Spitzensports hatte und die Diskrepanz zwischen staatlicher Förderung und tatsächlichem Fortschritt aufzeigte. Konzeptionelle Fortschritte sind nicht ersichtlich, obwohl die Beteiligten sich der Tatsache bewusst sind, dass Strukturreformen wie eine bessere Vereinbarkeit von Spitzensport und Beruf bzw. Ausbildung und eine teils direkte Auszahlung des Spitzensportgeldes an die Athletinnen sowie eine langfristige Anstellung der Trainer bereits einen Unterschied machen würden.

Sportarten, die in den letzten Jahren vom Dachverband abgeschrieben wurden, waren erstaunlicherweise erfolgreich. Bemerkenswert ist, dass Präsident Weikert im Zeit-Interview den Basketball explizit als Erfolgsgeschichte hervorhebt, obwohl der DOSB und mit seiner Potentialanalyse diese Sportart einst als ineffizienteste und mit den geringsten Erfolgschancen einhergehende Disziplin betrachtete. Diese selektive Hervorhebung ist nicht mehr als eine symbolische Kommunikation, die von grundlegenden Problemen anderer Sportarten ablenkt. Deshalb ist es nachvollziehbar, dass die Politik in den letzten Jahren vermehrt auf ein staatliches Leistungscontrolling drängt, denn der Staat ist der größte Sponsor des Sports. Allerdings findet keine Effizienzüberprüfung statt. Im Hinblick auf den Leistungssport werden durch Weikert Leistungen im Mittelfeld überbetont und als Erfolg verkauft, was grundsätzlich nicht verwerflich ist. Sich stärker von der Analyse der Medaillenspiegel zu lösen und den Fokus auf die Erreichung sportlicher Ziele zu richten, bedarf eines innovativen Leistungsdiskurs. Gleichzeitig müssen Ursachen wie Nachwuchsmangel, unzureichende Förderung und ungleiche Verteilung der Mittel stärker reflektiert werden.

Die Problematik der Trainervergütung und -anstellung ist seit zwei Jahrzehnten Thema vom DOSB, jedoch fehlen echte Konzepte und Veränderungen vonseiten des DOSB. Man muss dem Dachverband in diesem Zusammenhang Passivität vorwerfen, die letztlich in institutioneller Trägheit mündet. Es wird von zahlreichen Trainer*innen die Auffassung vertreten, dass sich in den vergangenen 20 Jahren keine signifikanten Veränderungen ergeben haben. Ein wesentlicher Aspekt ist hierbei die Abwanderung hochqualifizierter Trainer*innen ins Ausland. So kommt es im deutschen Spitzensport zu einem fatalen “Brain Drain”. Als Gründe hierfür sind die deutlich höhere Vergütung sowie bessere Rahmenbedingungen im Ausland anzuführen.

Es ist zutreffend, dass der Sport in bestimmten Kontexten einen Beitrag zur Förderung des sozialen Zusammenhalts und der Integration leistet und dies in Vereinen auch tagtäglich geschieht. Gleichzeitig muss jedoch auch festgestellt werden, dass der Sport, insbesondere der DOSB und der DFB, durch eine Vielzahl von Skandalen nicht dazu beigetragen hat, das Ansehen der Verbände in Deutschland zu stärken. Der DFB Präsident Neuendorf behauptet, dass die Ära der Skandale nun vorüber sei. Die Vergabe der World Games nach Karlsruhe durch den DOSB und die Vergabe der WM an Saudi-Arabien mit der Zustimmung des DFB zeigen jedoch ein anderes Bild. Der DFB rechtfertigt die Entscheidung für Saudi-Arabien als pragmatisch, ohne die ethischen Implikationen zu thematisieren oder zu beleuchten. Es lässt sich konstatieren, dass der Verband auch nach Katar keine nennenswerten Fortschritte erzielt hat, was darauf hindeutet, dass sowohl der DFB als auch der DOSB und ihre verantwortlichen Entscheidungsträger die strukturellen Probleme des internationalen Sports ignorieren. Als Beispiel kann hier auf die Machtfülle des IOC und der FIFA verwiesen werden, für die deutschen Top-Funktionäre kein Problem. Diese Haltung ist enttäuschend, da die notwendige Analyse der internationalen Machtstrukturen und Abhängigkeiten, wie sie z.B. die FIFA und das IOC darstellen, von den Funktionären nicht kritisch vorgenommen wird. Stattdessen wird das bestehende System sogar noch verteidigt. Sind die Funktionäre noch glaubwürdig? Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass die Thematik der Ungleichheit zwischen Profisport und Amateurbereich zwar aufgegriffen wird, jedoch ohne die Präsentation von Lösungsansätzen. Auch beim Bewegungsmangel von Kindern wird die Verantwortung auf Schulen und Politik geschoben, eine Olympiabewerbung als Allheilmittel gesehen, ohne Eigenverantwortung und die Verantwortung der Gesellschaft anzusprechen. Ferner wird die Verbindung zwischen Kommerzialisierung und schwindender Glaubwürdigkeit des Sports von den Funktionären nicht wahrgenommen und keine Lösungsansätze für Spitzen- und Breitensport präsentiert.

Paris 2024 – Triumph oder Tragödie – Teil 2: Sportler*innen im Sperrgebiet – Die Militarisierung der Spiele

Ein weiteres Thema ist die Sicherheit während der Spiele aufgrund der weltweiten Konflikte, Kriegsherde und innenpolitischen Kämpfe. Es ist mit einer erhöhten Terrorgefahr zu rechnen. Besonders die Pariser Polizei scheint aktuell noch nicht ausreichend für Sportgroßveranstaltungen und den Umgang mit Fans und Zuschauern geschult zu sein; auch ist eine Militarisierung der Pariser Polizei zu befürchten. Während des Champions-League-Finales zwischen Real Madrid und dem FC Liverpool im Stade de France im Mai 2022 kam es zu Gewalt und dem Einsatz von Tränengas durch die Bereitschaftspolizei (siehe Sportschau, 2022). Besonders das Vorgehen der Sicherheitskräfte wurde national als auch international scharf kritisiert. Die Behörden betonten, dass sich ein solches Ereignis nicht wiederholen werde. 

Paris wird so während der Spiele zu einer Festung mit einer hohen Polizeipräsenz und umfangreichen Sicherheitsmaßnahmen, einschließlich eines fragwürdigen Videoüberwachungssystems, das künstliche Intelligenz einsetzt. Organisationen wie Amnesty International haben diese Überwachungsmethoden als Massenspionage verurteilt (vgl. Schneider, 2024).  

Um die Sicherheit der Olympischen Spiele in Paris zu gewährleisten, hat Frankreich im Januar 2024 2.185 Polizisten von 46 internationalen Verbündeten angefordert. Nach Angaben des Innenministeriums bezog sich die Bitte um ausländische Unterstützung auf die Bewältigung der Herausforderungen, die mit den Spielen verbunden sind, sowie auf die Stärkung der internationalen Zusammenarbeit (vgl. Agence France Presse, Le Monde, 2024). Parallel dazu kündigte Deutschland im März 2024 an, eine unbestimmte Anzahl von Polizisten für die Olympischen Spiele nach Frankreich zu entsenden. Im Gegenzug sind französische Kräfte im Juni und Juli 2024 zur Unterstützung der Fußball-Europameisterschaft nach Deutschland gekommen (vgl. Neuerer, 2024). Während der Olympischen Spiele werden insgesamt 45.000 französische Polizisten und Gendarmen täglich im Einsatz sein, mit Unterstützung von zusätzlich 18.000 Soldaten. Dazu kommen weitere 18.000 bis 22.000 private Sicherheitskräfte (vgl. Agence France Presse, Le Monde, 2024). Die Stadt wird regelrecht abgeriegelt. In Anbetracht der Tatsache, dass alle französischen Polizeireserven und viele Soldaten in Paris im Einsatz sind, ist es schwierig, ein anderes wichtiges Ereignis als die Olympischen Spiele im Auge zu haben. Großveranstaltungen in ganz Frankreich wurden abgesagt. Die finanziellen Aufwendungen für den Polizeieinsatz sowie die militärischen Maßnahmen lassen sich gegenwärtig noch nicht abschätzen, werden jedoch mit Sicherheit einen hohen Millionenbetrag erreichen. Die Kosten für die Eröffnungsparade auf der Seine werden auf 120 bis 130 Millionen Euro geschätzt, was einer Verdreifachung gegenüber den Spielen in London entspricht (vgl. Holzer, 2024). 

Die angespannte politische Lage und die Sicherheitsvorkehrungen in der Stadt sind keine guten Voraussetzungen für friedliche Spiele. Eine Vielzahl von Medien berichtet wenige Tage vor Beginn der Olympischen Spiele über die angespannte Lage zu Sicherheitsbarrieren und Kontrollpunkten. Ganze Straßenzüge wurden mit Sicherheitszäunen abgesperrt und die Bevölkerung muss eine Vielzahl von Checkpoints durchlaufen, eine Situationsbeschreibung, die sich dem Ausrufen des Kriegsrechts nähert, auch durch die Militarisierung der Hauptstadt. Als Begründung wird die Angst vor einem Terroranschlag während der Olympischen Spiele angeführt. Dies zeigt, dass das Vertrauen in die grundlegenden Freiheiten weltweit einen signifikanten Wandel erfährt, mit Paris als Beispiel. Selbst die Feierlichkeiten im Rahmen der Eröffnungsfeier der sportlichen “Friedensspiele” sind von einer Atmosphäre der Angst geprägt. 

Die Terroranschläge im Jahr 2015 markieren einen entscheidenden Wendepunkt in der Geschichte der französischen Hauptstadt. Sie waren der Auslöser für eine grundlegende Veränderung der Sicherheitsvorkehrungen in Paris. Zu den sichtbaren Zeichen dieser Transformation gehören die Mauern und Zäune, die rund um die bekanntesten Sehenswürdigkeiten errichtet wurden.  

Infolge der Einstufung als Gefährder gemäß französischem Anti-Terror-Gesetz von 2017 sehen sich aktuell über 150 Personen mit einem Hausarrest für die Dauer von drei Monaten konfrontiert, der im Kontext der Olympischen Spiele verfügt wurde. Eine weitere Gruppe von Betroffenen ist verpflichtet, sich täglich zur gleichen Zeit auf einer Polizeistation zu melden. Dabei wurde offenbar nicht mit der gebotenen Sorgfalt sichergestellt, dass sämtliche Betroffenen hinreichend über die Gründe ihrer Listung informiert wurden (vgl. Ayad, 2024).

Eine Woche vor der Eröffnungsfeier wurden die gravierenden Einschränkungen für die Einwohner von Paris Realität, der Zugang zur Seine wurde zu allen Orten im Umkreis von 100 Metern untersagt. An stark frequentierten Verkehrswegen wurden Absperrungen installiert, welche die Bürgersteige von der Fahrbahn separieren. Lediglich Bewohner*innen und Mitarbeitender*innen sind berechtigt, das Gebiet zu betreten. Fußgänger benötigen eine Genehmigung, den sogenannten “Pass Jeux”. Die Erteilung dieser Genehmigung ist jedoch nicht garantiert. Ohne diesen „Pass Jeux“ oder eine Akkreditierung für die Spiele selbst ist der Zutritt nicht möglich. Hinzu kommen weitere tiefgreifende Maßnahmen im gesamten Stadtgebiet. Es wurde eine größere „rote“ Zone in Paris definiert, in der jeglicher Fahrzeugverkehr untersagt ist, sowie eine „blaue“ Zone, die für den Großteil der Verkehrsteilnehmer zugänglich ist. Inklusive der Périphérique, der Ringstraße um Paris, sind die meisten Autobahnen, welche Paris mit den Vororten verbinden, als „Paris 2024“-Routen für die Olympischen Offiziellen ausgewiesen. Da die Périphérique selbst im Sommer unter einem starken Verkehrsaufkommen leidet, werden die exklusiven Olympiaspuren dazu führen, dass eine Fahrspur für den regulären Individualverkehr verloren geht. Die Hoffnung der Organisatoren ist, statt der Nutzung des eigenen Fahrzeugs auf öffentliche Verkehrsmittel zurückgegriffen wird. Doch auch für die Metro zeichnet sich für den Zeitraum der Olympischen Spiele eine Überlastung ab (siehe unten). Zudem sind mehrere wichtige Metrostationen aufgrund von Sicherheitsbedenken geschlossen.  

Die Implementierung von Sicherheitsschleusen führt zu einer signifikanten Beeinträchtigung des Alltags der Pariser Bevölkerung. Selbst Besuche in Supermärkten und Apotheken werden zu einem gewagten Unterfangen. Die Möglichkeit, Essensbestellungen rund um die Seine aufzugeben, ist nicht länger gegeben, da die Fahrer der Lieferdienste oft an den Sicherheitskontrollpunkten abgewiesen werden, da ihnen die erforderliche Zugangsberechtigung fehlt. In der Konsequenz ist eine Zustellung nicht möglich.   

Aus diesem Grund wird seitens der städtischen Behörden empfohlen, die Stadt zu verlassen oder zu Hause zu bleiben. Eine Militarisierung der Spiele birgt das Potenzial, eine Reihe von negativen Begleiterscheinungen zu generieren. Die implementierten Sicherheitsmaßnahmen resultieren in einer erhöhten Anspannung. Die Furcht vor terroristischen Anschlägen sowie die Einschränkung von Bürgerrechten, insbesondere der Bewegungsfreiheit, führen zu einer Erosion des olympischen Ideals, die Spiele für Frieden und Völkerverständigung zu nutzen. Diese Entwicklung hat nicht nur eine Zunahme autoritärer Tendenzen zur Folge, sondern eben auch eine Verringerung der Akzeptanz des olympischen Ideals. In diesem Kontext ist zu hinterfragen, ob die verstärkten Sicherheits- und Überwachungsmaßnahmen bei erfolgreichen Spielen womöglich auch im Anschluss zur Überwachung der Bevölkerung genutzt werden. Die Frage, ob Paris in ständiger „Kriegsbereitschaft“ verbleibt, wie dies der Staat Oceania in Orwells dystopischer Welt (1984) tut, ist durchaus berechtigt.  Daher kommt es bereits während, aber auch nach den Spielen zu erheblichen sozialen und politischen Spannungen, die sich aufgrund der hohen ökonomischen Belastungen auch über die Spiele hinaus manifestieren. Kürzungen des Budgets in Bereichen wie Bildung, Gesundheit und sozialen Diensten für Städte, die als Gastgeber fungieren, stellt eine fest etablierte olympische Tradition dar. Dies kann zu einem Verlust des Vertrauens in Behörden und Institutionen führen. In Anbetracht der gravierenden Einschränkungen stellt sich die Frage, ob ein Gigaevent dieser Größenordnung in einer dicht besiedelten Metropole wie Paris (vgl. Teil 1) für die ansässige Bevölkerung eine Legitimation und einen Mehrwert bietet. 

Paris 2024 – Triumph oder Tragödie – Teil 1: Die Seine

Paris ist nicht nur wegen der Olympischen Spiele 2024 in den Schlagzeilen. Berichte über Ratten- und Taubenplagen scheinen aber der Stadt der Liebe nicht wirklich zu schaden, Paris mit seinem einzigartigen Charme ist weiterhin bei Touristen sehr beliebt. Zudem macht die Hauptstadt mit einer radikalen Verkehrswende in der Innenstadt von sich reden, der Radverkehr hat durch einschneidende Maßnahmen deutlich zugenommen. Nach der Corona-Pandemie erreichen die Besucherzahlen fast das Rekordniveau von 2019 (vgl. Statista, 2024). Und nun findet im Sommer 2024 das größte Sportereignis in der französischen Hauptstadt statt. Während der Spiele werden täglich 600.000 Besucher erwartet, was für Paris eine hohe Belastung bedeutet, da die Fläche der Innenstadt sehr begrenzt ist und die Menschen auf engem Raum zusammenkommen (London z.B. ist flächenmäßig 15-mal größer als Paris) (vgl. Wüpper, 2014).   

Dies hat nicht nur große Auswirkungen auf die Bewohner der Hauptstadt, sondern auch auf die Infrastruktur. Paris bereitet sich intensiv auf die Olympischen Spiele vor, mit Abkehr von üblichen Traditionen. Zum ersten Mal werden bei den Olympischen Spielen gleich viele Frauen und Männer teilnehmen – ein Meilenstein (jedoch nur auf den Spielfeldern). Die Eröffnungsfeier findet nicht in einem Stadion statt, sondern am Ufer der berühmten Seine. Etwa 10.000 Athlet*innen werden in 91 Booten zu einer sechs Kilometer langen Parade auf dem Wasser starten, umso dem Fluss in Paris eine Hauptrolle zuzuschreiben (vgl. Borutta, 2023). Paris hat Vorbereitungen getroffen, damit möglichst viele Menschen an der Eröffnungsfeier teilnehmen können, ein positiver Schritt, um die Inklusivität der Spiele zu erhöhen. Die Bemühungen von Präsident Emmanuel Macron, die Veranstaltung zu einem Volksfest zu machen, werden jedoch durch den hohen Preis der Eintrittskarten und zunehmenden (erheblicher) Sicherheitsbedenken behindert (siehe unten). Die Karten für die Eröffnungsfeier kosten zwischen 90 und 2.700 Euro und für die meisten Aktivitäten werden Hunderte von Euro verlangt. Dies könnte für die Franzosen ein legitimer Grund sein, ihre Unzufriedenheit zu äußern (vgl. Urvoy, 2024). Gleichzeitig erleichtern die neuen Strukturen der Eröffnungsfeier jegliche Art von Protest.   

Wie kam es zu dem nun geplanten Vorgehen? Die Seine fließt auf einer Länge von etwa 13 Kilometern durch das Herz der französischen Hauptstadt und hat 37 Brücken. Das Schwimmen in der Seine ist seit Jahrzehnten (1923) verboten, da sie stark verunreinigt ist.  Im Jahr 2017 erhielt Paris den Zuschlag für die Ausrichtung der Olympischen Spiele. Daraufhin startete die Stadt eine Initiative, um die Seine zu reinigen und für Freizeitaktivitäten und Wettkämpfe während der Spiele nutzbar zu machen. Es erinnert an die ersten Olympischen Spiele 1900, als die Athleten auch in der Seine schwammen (vgl. Belz, 2023) und ist eine Parallele zu den Versprechen in Rio und der Guanabara Bay. Bis 2024 planen sowohl Emmanuel Macron als auch Bürgermeisterin Anne Hidalgo selbst in der Seine zu schwimmen. Stadt und Land investieren eine Milliardensumme in die Verwirklichung dieses Vorhabens. Auch Jacques Chirac als damaliger Bürgermeister von Paris, versprach 1993 innerhalb von drei Jahren in der Seine zu schwimmen. Allerdings stellte sich schnell heraus, dass die Säuberung des Flusses Jahrzehnte dauern würde. Chirac löste sein Versprechen nie ein (vgl. Tagesspiegel, 2023; FAZ / SID, 2024). Im Juli 2024 unternahm Bürgermeisterin Hidalgo einen öffentlichkeitswirksamen Badeausflug in die Seine, wobei sich die meteorologischen Voraussetzungen als günstig erwiesen. Die Seine kann bei günstiger Witterung grundsätzlich als Badestelle genutzt werden. Vor dem Hintergrund von Starkregenereignissen kann ein potenziell erhöhtes Gesundheitsrisiko (durch Kolibakterien) jedoch nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Insofern besitzt der Badeausflug der Bürgermeisterin lediglich eine begrenzte Aussagekraft. 

Das Hauptproblem ist die verbesserungsbedürftige Abwasserinfrastruktur der Stadt, die täglich rund 6,5 Millionen Kubikmeter Abwasser produziert. Das entspricht ca. 75 olympischen Schwimmbecken pro Stunde. Die Sanierung dieses Systems ist ein großes Unterfangen.  

Im 19. Jahrhundert wurde das Abwasser in Paris gesammelt und auf den Feldern der Bauern als Dünger entsorgt. Jede Wohnung hatte einen unterirdischen Sammelbehälter für Fäkalien, die zu organischem Dünger verarbeitet und auf den Feldern ausgebracht wurden. Der Anstieg der zu entsorgenden Abfallmengen resultierte aus der zunehmenden Verbreitung von Pferden auf den Straßen der Stadt. Gegen Ende des Jahrhunderts wurde eine unterirdische Kanalisation gebaut, um die Abwässer der öffentlichen Straßen und Wohngebäude zu entsorgen. Die Mischwasserkanalisation ersetzte die frühere Methode, bei der alle Abwässer in einem Kanal gesammelt wurden (vgl. Gottschalk, 2004, 2-4).  

Um dem Abwasserproblem weiter entgegenzuwirken, wurde die Kläranlage Acheres gebaut. Diese ist heute die größte europäische und nach Chicago die zweitgrößte der Welt (vgl. Gottschalk, 2004, 5; Structurae, 2024). 

Mit der Entwicklung eines neuen Konzepts wurde auch aufgrund der steigenden Bevölkerung in der Metropole eine neue Aufbereitungsanlage geschaffen. Doch auch dieses Pariser System hat große Mängel. Bei Starkregen ist die Kläranlage den Wassermassen nicht gewachsen, da sie nicht genügend Wasser aufnehmen kann. Wenn alle Kanäle voll sind, fließt das Abwasser in die Seine.    

Der aktuelle Plan der Stadt sieht vor, Niederschläge durch den Einsatz von Rückhaltebecken aufzufangen. Diese können ein Volumen von 50.000 Kubikmetern aufnehmen und stellen somit eine Speicherkapazität von ca. 20 olympischen Schwimmbecken bereit (vgl. Rau, Casjens, 2024). Es kann jedoch vorkommen, dass auch diese Becken nicht alle Niederschläge aufnehmen können und daher überlaufen. Gelegentlich ist die Seine so verschmutzt, dass sie für sportliche Aktivitäten oder zum Schwimmen ungeeignet ist. Im Sommer 2023 wurden aufgrund starker Regenfälle in Paris einige olympische Testveranstaltungen abgesagt (vgl. Süddeutsche Zeitung, 2023). Es ist wenig wahrscheinlich, dass die Stadt Paris das Problem vor den Olympischen Spielen in Gänze wird lösen können, auch wenn dies durch den Badeausflug von Hidalgo suggeriert werden soll. Dies ist besorgniserregend, da olympische Wettkämpfe wie der Schwimmmarathon, die Schwimmetappe des Triathlons sowie der Paratriathlon in der Seine vorgesehen sind. Ist die Gesundheit der Athlet*innen gefährdet? 

The Olympic Games – The Perfected Shell Game (Infographic)

Feel free to download, please mention the blog

Also read: The Vicious Cycle of the Olympic Movement – How the Current Power Structures Oppress Athlete https://derballluegtnicht.com/2021/07/23/ioc-power-structures/

Missbrauch im Sport – Das Schweigegelübde des Sports und seine Folgen

(AUSZUG)

Im deutschen Sport ist Missbrauch und sexualisierte Gewalt in der Öffentlichkeit eine Randerscheinung. Aktuell kommen jedoch immer neue besorgniserregende Details in verschiedenen Sportarten ans Licht. Ein über den gesamten Sport gewachsenes Missbrauchssystem, erstarkt durch die eigenen Organisationsstrukturen und die bisher zugesicherte Autonomie, bestätigt ein flächendeckendes Problem. Zu diesem Ergebnis kommt auch die Safe Sport Studie der Sporthochschule Köln aus dem Jahr 2016 (siehe hier), und dies wird aktuell untermauert durch Fälle bei den Turnerinnen (psychische Gewalt, mentale Misshandlung), Boxerinnen (sexueller Missbrauch, mutmaßliche Vergewaltigung) und Segler*innen (Jugendliche, über mehrere Jahrzehnte sexuelle Gewalt). Die nun bekannten Fälle sind lediglich die Spitze des Eisberges. Der Spitzensport und auch Breitensport sind durchseucht von sexualisierter, psychischer und körperlicher Gewalt. Doch wie konnte es dazu kommen? Wer ist dafür verantwortlich? 

Missbrauch und sexuelle Gewalt können sich ausbreiten, wenn Institutionen (Verbände und Vereine) mit unzureichenden Präventionsstrukturen ausgestattet sind und die Athlet*innen am unteren Ende der Talentpyramide nur wenige Ressourcen haben, leicht austauschbar sind oder in das vorzeitige Karriereende geschickt werden können. Noch extremer ist das Ergebnis, wenn die Systemstrukturen sexualisiert sind und von Männern dominiert werden. Deutsche Universitäten, die Bundeswehr, die katholische Kirche und der Sport sind beste Beispiele, oft ausschließlich von Männern in den oberen Positionen beherrscht.  

Ein “unsichtbares” System der Belästigung und des Missbrauchs wie im deutschen Spitzensport ist nur umsetzbar durch die stille Komplizenschaft vieler.

Weiterlesen „Missbrauch im Sport – Das Schweigegelübde des Sports und seine Folgen“

Knien, lange Hosen, Regenbogenbinde – Mut gehört dazu (DLF)

Von Matthias Friebe (DLF)

https://srv.deutschlandradio.de/dlf-audiothek-audio-teilen.3265.de.html?mdm:audio_id=945507

The Vicious Cycle of the Olympic Movement – How the Current Power Structures Oppress Athletes

Feel free to share all of these slides, but mention me and my blog. Also share and like the blog on twitter, instagram or facebook.

twitter qr

Also there are a few other article in English in the blog, like: